Frank Miller [The Dark Knight Returns]

Mit seiner zeitlosen Interpretation des Batman schuf Frank Miller Mitte der 1980er Jahre dessen Mythos in einer originär düsteren Betrachtung neu und verortet diesen in einer komplexen Welt im kalten Krieg.



"no, i don't keep count. but you do. and i love you for it, batman, darling."
(the joker)


In der 1986 das erste Mal als Paperback gesammelten Reihe "The Dark Knight Returns", entwirft Autor und Zeichner Frank Miller das Bild eines alternden Bruce Wayne in dessen späten Fünfzigern, der seit zehn Jahren die geheime Identität als Gothams nächtlichem Wächter abgelegt hat. Zurückgezogen wird er zum farblosen Multimillionär, jenseits des früheren Playboy Images, der gemeinsam mit seinem ergebenen Bulter Alfred im Wayne Manor residiert. Polizei Commissioner Gordon, der alte Freund Waynes, steht kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag und seiner damit verbundenen Pensionierung, während sich das Bild der Metropole Gotham weiter verdunkelt. Es sind nicht mehr die aparten Superschurken die das kriminelle Bild der Stadt prägen. Der Moloch hat letztlich auch diese Kinder verschluckt. Es ist die Verlorenheit, die Desorientierung der Bevölkerung selbst, aus der sich eine militante Gruppe von Jugendlichen, sich selbst – etwas überspitzt vielleicht ganz im Sinne Leslie Fiedlers – die „Mutanten“ nennend, erwächst und den Aufstand und Umsturz der bestehenden Werte und Normen propagiert.

Ganz zu Beginn der düsteren Exposition wohnen wir einem abendlichen Treffen der beiden alternden Herren bei, einer kurzen Unterhaltung bei einem Glas "Whiskey". Wie im Film „No Country For Old Men“ sehen sich Wayne und Gordon mit einer Gegenwart konfrontiert, die nicht mehr nach ihren Regeln zu spielen scheint, in der sie sich nicht mehr zurecht finden und die jetzt von zwar jüngeren aber eben auch unerfahrenen Charakteren übernommen wird. Hier wie dort werden es aber eben diese "Old Men", die "alten Hasen" sein, die sich als die einzigen erweisen, die das Zeug dazu haben, jener Gegenwart etwas entgegen zusetzen. „I walk the streets of this city I'm learning to hate, the city that's given up, like the whole world seems to have“, konstatiert ein faltiger, silberhaariger Wayne. Doch der Bruch mit seiner Vergangenheit fördert seine innere Zerrissenheit nur weiter zu Tage, zwingt ihn dazu, den Konflikt mit seinem inneren Dämonen wieder auf die Straße zu tragen, da er ihm allein nicht gewachsen ist. Niemals war und niemals sein wird.

Es ist diese psychologische Ebene die Miller in seinen Batman einfließen lässt und die ihm eine vielschichtigere Interpretation des Dark Knights ermöglicht. Im bis dato fast in Vergessenheit geratenen Captiontext – dem eingerahmte Erzähltext - skizziert Miller die inneren Vorgänge und rückt die konfliktbeladenen Facetten, die Auseinandersetzungen der Figur mit sich und der sich ändernden Welt ins Zentrum und entfaltet so eine für den Mainstream Superheldencomic der damaligen Zeit ungeahnt differenzierte Erzählstruktur, die durch die kantigen, mal detaillierten, mal skizzenhaften Zeichnungen in blassen Farben unterstrichen wird. Bemerkenswert bleibt dabei die scheinbar zeitlose Inszenierung der Handlungskomplikation dieser One-Shot Serie, obgleich die geschilderten Ereignisse und deren politische Rahmenbedingungen, die immer wieder durch realitätskonstruierende Medienberichte kommentiert werden, deutlich in der Mitte der 1980er Jahre verortet sind.

Zudem greift Miller mit dem Joker, der seit Jahren katatonisch in der geschlossenen Psychatrie Arkham Asylum inhaftiert ist, auch jenen Nemesis Batmans auf, der mehr als alle anderen seiner Gegenspieler hervor sticht. Wie das Goon Magazin herausarbeitete, partizipieren die anderen Widersacher immer nur an einem bestimmten Detail des Batman: der Angst (Scarecrow), der Selbstjustiz (Ra's al Ghul) oder dem Animalischen (Catwoman). Der Joker hingegen ist all das, was Batman explizit nicht ist: grell, bunt, hysterisch, anarchistisch, hedonistisch, unernst, chaotisch, vernichtend, selbstzerstörerisch. In der endzeitlichen Abrechnung scheint es nur folgerichtig, dass gerade dieser, als einziger - lässt man ein paar Cameos beiseite - der altgedienten Gegenspieler auftritt, auch wenn ein anderer Konflikt wesentlich weitreichender und im eigentlichem Mittelpunkt der Handlung steht.

From the beginning I knew that there's nothing wrong with you that I can't fix with my hands“, erklärt ein verbitterter Batman seinen Feldzug gegen den mordenden Joker und gerade hier wird die Begrenztheit der klassischen Superhelden deutlich: Wie alle anderen ist auch der dunkle Ritter im Wesentlichen auf seine Hände, seine physische Präsenz angewiesen, wenn er Jagd auf das Übel macht. Doch die Bedrohungen haben längst den Status einer als Singularität manifestierten Gefahr wie dem Joker überstiegen. In diesem Dilemma befindet sich jedoch nicht erst der alternde, von Selbstzweifeln geplagte Batman, sondern es ist von Beginn an in ihm angelegt. Die Ursprungsgeschichte, ein ganz wesentlicher Teil des jeweiligen Heldenmythos, bot bereits bei der Erschaffung des Batman 1939 von Bob Kane jene düsteren Züge, die Miller hier neu herausstellt: Seit dem Mord an seinen Eltern in dessen Kindheit, kleidet sich der Multimillionär Wayne nachts in ein ikonografisches Kostüm und bekämpft obsessiv Verbrechen. Nicht erst der von Miller als alternden Vigilanten porträtierte Wayne war - im Gegensatz zum in rot und blau erstrahlenden Superman - schon immer Sinnbild für das Versagen der Moderne. Der Dark Knight vertritt nicht das Gesetz, er ist die Vergeltung, die Selbstjustiz, immer am Ende einer großen Erzählung stehend, die auf Recht und Gesetz, auf verbindliche Gesellschaftsverträge und Gewaltenteilung vertraute. Im millerschen Batman wird der unhintergehbare Heldenstatus des Superhelden dekonstruiert ohne dabei das Format selbst der Lächerlichkeit preiszugeben. Es ist die Demontage des scheinbar legitimierten Eingriffs eines anonymisierten Superhelden in die juristisch geregelten Prozesse einer, sich als integer betrachtenden Gesellschaft, dessen Spannung auch im ambivalenten Verhältnis zwischen Gordon und Wayne aufgegriffen wird; Wann immer ersterer das Bat-Signal in den nächtlichen Himmel richtet, bietet er selbst jenes System auf dem Opfertisch feil, welches er mittels der ersuchten Hilfe verteidigen will. Wenn Batman so zur Ikone des Falls der Moderne wird, ist er die Antithese zum Man of Steel, des bunten Kryptoniers, der stets eine Gerechtigkeit vertritt, die durch eine nicht anzuzweifelnde, höhere Instanz legitimiert wird. (Dass es sich hierbei nicht um eine, das irdische transzendierende Idee im platonischen Sinne, sondern vielmehr um eine willkürliche Ideologie handelt, lässt sich sehr schön an den "Elseworld" Eposioden "Superman: Red Son", "Superman: True Brit" und "Superman: Übermensch!" betrachten.) Erst in Millers bedrückender Inszenierung wird Superman durch diesen unreflektierten Gehorsam zum Instrument einer machthungrigen Regierung, die ihn gleichzeitig zum Schoßhündchen wie zur geheimen Superwaffe gegen den ideologischen Feind im kalten Krieg macht.

You're not a young man anymore“, erklärt Superman in einem zentralen Dialog mit Wayne. „Maybe if you'd learned to slow down and find your niche, but times have changed. Sooner or later somebody's going to order me to bring you in. Somebody with authority.“ „When that happens, Clark“, entgegnet ihm ein entschlossener Wayne trocken, „may the best man win.
illustration: david mazzucchelli



frank miller
"the dark knight returns"
dc comics 1986
frank miller

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TaughtMe [Lady]

Mesdames et Messieurs: junger, attraktiver Mann mit unfehlbarer Stimme und Gefühl en masse. Gesucht? Nee, gefunden!



"carry your stuff as if it’s mine."
(dearest)


Als ich mir Blake Hendersons Soloprojekt TaughtMe das erste Mal anhöre, sitze ich an meinem offenen Fenster, genieße die erste Kühle, die dieser August mit sich bringt und versuche zwischen kitschigem Kerzenlicht diesen jungen Kerl mit seiner Musik zu verstehen. Denn während ich sein neues Album "Lady" höre, welches Anfang September 2008 erscheinen wird, werde ich in einigen Tracks ständig an andere Künstler erinnert. Zum einen an Sigur Rós und My Latest Novel wegen der traurig, melancholischen Stimmung die Henderson transportiert. Zum anderen sogar an Feist, an deren Lied "1234" er sich ab und an ein Beispiel genommen zu haben scheint. Glücklicherweise, denn traurig und melancholisch muss ja auch nicht unbedingt immer sein. Aber am meisten erinnert mich TaughtMe an Monta. Einen ebenfalls jungen Solokünstler, der eine ebenso prägnante Stimme samt Gefühl mit sich bringt und Herzen damit butterweich werden lassen kann. Die hörbaren Ähnlichkeiten zu anderen Musikern mag Henderson sicherlich nicht so gerne hören, wie ich es erwähne, aber ich meinerseits finde, dass es dem Hörer dadurch durchaus leichter fällt die TaughtMe-Musik einordnen, mögen und genießen zu können.

Ich persönlich empfand das erste Mal Durchhören nämlich als relativ anstrengend. Eine unvergesslich starke Stimme, überall Gitarrensounds und hie und da ein Beat und noch ein Rhythmus. Für dieses Album muss man sich also Zeit und Ruhe nehmen. Die guten Kopfhörer einstöpseln, reinhören und reinfühlen. Dann wird man sicherlich auch bei jedem erneuten Hören etwas Neues und bis dahin merklich Ungehörtes in seinen Liedern entdecken, denn davon scheint es auf "Lady" reichlich zu geben. Also genauso wie im echten Leben mit den echten Ladies auch, ne? Er hat sich mit Sicherheit und legitimerweise von mehreren Künstlern beeinflussen lassen, aber alles in allem ist es bei diesem Album einfach schwierig einen Ohrwurm, geschweige denn einen Lieblingstrack zu finden. Oft stolpert der Hörer über die ein oder andere Überladung von Rhythmen und Stimmen in Henderson’s Musik. So wie ich es anfangs auch des öfteren bei der Broken Social Scene empfand. Aber jeder fängt mal klein an. Broken Social Scene genauso wie TaughtMe. Und was nicht ist, kann ja noch werden. Mittlerweile gehört Broken Social Scene zu einer meiner Lieblingsbands.

Dieser junge Henderson hat Potenzial, keine Frage. Jung, motiviert, voller Energie und Herzblut für sein Soloprojekt und obendrein eine unfehlbare Stimme, die da aus ihm herauskommt. Und mit dieser Einschätzung scheine ich nicht vollkommen alleine dar zu stehen, denn mit ein bisschen Stöbern hier, ein bisschen Schnüffeln da, kann ich auf Hendersons Myspace-Seite einige nette, zwar typische, aber sicherlich auch ehrlich gemeinte Kommentare über ihn und seine Musik lesen.

Möglicherweise bin ich auch einfach zu kritisch und zynisch gegenüber jungen Kerlen geworden, denen man den Hundeblick subito abkaufen mag. Aber man kann es ja noch mal probieren mit den ganzen Hundeblicken. Warum also nicht öfter dieses Album durchhören und irgendwann doch noch denken, dass er es möglicherweise sein kann. „Adorably handsome“ und auch noch „seriously the cutest person ever“, wie ihn zwei seiner Fans beschreiben. Denn einem Mädchen, dass er augenscheinlich gerne hat, zu schreiben „I deedent getta hear ya or smell ya and I didnt know what ta do!“ ist für mich zynische Kuh schon mal ein Anfang um Blake Henderson, um TaughtMe, gern zu haben. Und am Ende kann jeder dann selbst entscheiden wie es diesmal mit dem Einlassen auf Hundeblicke geklappt hat und denken „Yes, der ist wirklich adorably handsome“ oder doch noch „Ach, warum hab ich überhaupt auf diese zynische Lady gehört?
foto:



taughtme
"lady"
own records 2008 cd
taghtme

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Sonntag Nachmittag [August 2008]










fotos: manuel kaufmann

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The Streets [The Escapist]

Goodbye to Heavy-Drinking and Being Famous. In "The Escapist" mimt Mike Skinner den Zivilisationsflüchtling und zieht sich konsequent aus dem urbanen Milieu zurück. Doch gelingt ihm das wirklich?


totally fucked, cant hardly fuckin' stand. / this is fuckin amazing; argh."
(blinded by the lights)



Für "The Escapist" - der Vorabsingle der neuen The Streets-Platte "Everything Is Borrowed" - hat Mike Skinner seine Wanderstiefel angezogen und ist - zumindest im Video - bis an den Südzipfel Frankreichs gelatscht, um es den Pilgergruppen auf dem Jakobsweg gleichzutun und einfach mal für eine Weile unterwegs zu sein. Obgleich Skinners Route und Intention vermutlich vom kathartischen Effekt der Jakobspilger unterschieden werden muss, so drängt sich beim Ansehen von "The Escapist" immer wieder die Frage nach der eigentlichen Intention des Videos auf. Was ist mit dem sonst so großmäuligen Mike Skinner geschehen, dass er so einfach Reißaus nimmt? Hat er die meditative Wirkung des Wanderns entdeckt oder einfach nur einen Faible für das ländliche Frankreich? Oder gar schlimmer: wird Skinner zu einem Zivilisationsflüchtling, der von dannen zieht, um dem Druck und der ewigen Medienpräsenz zu entfliehen? Alles scheint denkbar, letztere Möglichkeit ist jedoch am Glaubhaftesten, wenn man "The Escapist" in den Kontext seiner medialen Vorläufer setzt.

Mike Skinner ist schon immer der Biograf einer destruktiven Populärkultur gewesen, die er mit all ihren Stilblüten in seinen Songs und Videos zu einer überzeichneten Realität werden lässt. "Original Private Material" (2002) zeigt schon im Ansatz, was sich in "A Grand Don't Come For Free" (2004) und später im selbstironischen "The Hardest Way To Make An Easy Living" (2006) zu einer wahren Kunstform entwickelt hat. Während Songs wie "Has It Come To This" (2002) noch recht einfach und provozierend die Lebensumstände von britischen Jugendlichen unter die Lupe nehmen, wirkt die Kunstfigur Mike Skinner im Post-Beziehungsdrama "Dry Your Eyes" (2004) erstmalig verletzlich und angreifbar. Dies setzt sich in "Never Been To Church" fort und gipfelt schließlich im exzessiven "Blinded By The Lights" in einer großen Kokain-Orgie und den damit verbundenen Rauschzuständen. Skinner wirkt zunehmend selbstreflexiver und wandelt sich von einem Pubgänger ("Don't Mug Yourself") zu einen Dramatiker, der die kleinen und großen Dinge im Leben in all ihren obskuren Einzelheiten erfasst und verarbeitet.

"all these walls were never really there / nor the ceiling or the chair"
(The Escapist)

"The Escapist" steht nun wieder im vollen Gegensatz zum Vorgängermaterial. Allein das Video ist komplett anders als alles, was man vorher bei The Streets gesehen hat. Keine schnellen Schnitte, keine urbanen Gepflogenheiten, keine Menschen, außer Mike Skinner, wie er einsam durch die Gegend wandert. Er lässt die Suburbs Englands hinter sich und besteigt eine Fähre, die ihn nach Frankreich führt. Die einzelnen Einstellungen werden immer ruraler: die Straßen enger, die Felder breiter. Dann lässt er auch das letzte bisschen von umgegrabener Erde in Form eines kleinen Dorfes hinter sich zurück. Von nun an gibt es wundervolle Landschaftsaufnahmen, Serpentinen, die vermutlich um ein Mittelgebirge herum angelegt sind und eine herrliche Schlusseinstellung: ein Sonnenuntergang am Meer. Skinner wird von Einstellung zu Einstellung immer kleiner, die Natur rückt in den Vordergrund, bis er dann am Ende in die wirkliche Welt zurückkehrt.

Und wenn man etwas genauer hinschaut, dann bricht "The Escapist" konsequenterweise mit dem ungestümen Parrtyhengst Skinner und seinem selbstironischen Abbild der letzten Jahre. Der Mann wird älter und vermutlich auch weiser, man könnte sogar so weit gehen und ihn einen Zivilisationsflüchtling nennen, weil ihm der ganze Heavy-Drinking und Being-Famous-Kram so tierisch auf den Sack geht. Er zieht sich zurück in die Natur, um der urbanen Völlerei zu entfliehen. Dadurch stellt er eindrucksvoll zwei gegensätzliche Zivilisationsmodelle gegenüber: Natur und Kultur. Der Klassiker des Vergleiches an sich. An ihm zerbrechen sich nicht erst seit der Romantik Hans und Franz die Köpfe.

Die Einbindung oder die Rückführung des Menschen in die Natur scheint jedoch unmöglich, denn der Mensch an sich steht schon im kompletten Gegensatz zur Idee des Naturzustandes. Er kultiviert, individualisiert und verändert sein Umfeld. Kultur ist also mit dem Menschsein gleichzusetzen, ein Rückzug des Einzelnen in die Natur, scheitert bereits auf der theoretischen Ebene. Das stellt auch Skinner in " The Escapist" fest: symbolisch wird das insbesondere in der Schlussszene, als Skinner barfuss am Mittelmeer sitzt, kurzzeitig den Sonnenuntergang genießt und dann seine Schuhe abklopft und wieder von dannen zieht. Sein Gang durch Frankreich war zwar gut gemeint, und hat für ein Musikvideo klasse Szenen mit eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen geliefert, aber letztendlich zieht es ihn doch wieder zurück in die Stadt. Aus, vorbei der Traum, der Mensch bleibt, was er war.



the streets
"
everything is borrowed"
wmi (warner) 2008 cd
the streets
the escapist

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Beoga [Paderborn, 29.7.2008]

"Die Wiege des kleines Kobolds wurde umdrängt von den Feen der kleinen grünen Insel, und alle hatten sich die besten Wünsche für den Kleinen überlegt und legten ihm diese zu den kleinen Füßen. Er möge die Wurzeln seines Landes weiterführen, sich immer seiner Vorfahren erinnern und ihr Erbe stolz weiterführen. Eine Fee aber legte ihm eine kleine Geige in die Wiege und sagte: Du sollst fröhlich und lebendig sein und die Menschen zum lachen bringen!"


"gravity couldn't keep me down."
(delicate thing)


Wenn wir von Westeuropa unseren etwas hochnäsigen Blick Richtung Großbritannien, das auf uns mit seiner Monarchie sowieso leicht verschroben wirkt lenken und neben der großen Insel noch die kleinere links daneben so auf der Landkarte entdecken, fallen uns viele Dinge dazu ein.

Obwohl wir nicht da waren können wir so einiges beisteuern zum Thema "Irland". Wir denken an endlose Grünflächen, an Schafe und alte Männer, die abends gemütlich zum nächstbesten Pub schlendern und unendlich viel Guinness trinken. Sie haben alle rote Haare und das Wetter ist meistens schlecht. Dann fällt einigen noch ein, dass sie in der sechsten Klasse im Musikunterricht mal so lustige schnelle Musikstücke aus Irland gehört haben mit Geigen und Flöten und schon ist das Bild vom typischen Iren gemalt und das Vorurteil hübsch abgerundet.

Soweit so vorschnell. Denn das eingefahrene Bild der alternden Herren, die in düsteren Ecken Geige, Klavier und Akkordeon bedienen bedarf dringender Überholung. Die Jugend schläft nicht, und schon gar nicht ruht sie sich auf den musikalischen Lorbeeren ihrer Väter aus. Erstaunlicherweise hat die irische Volksmusik auch bis heute – in, gerade im Bezug auf Musik, fast vollständig globalisierten Zeiten- nicht an Anziehungskraft auf ihre Landsleute verloren, junge Bands sprießen aus dem Boden wie Kleeblätter und verhelfen der jungen Folk-Szene in Irland zu regem Zuwachs.

Mittendrin und doch etwas exponiert sind Beoga (gälisch für „lebendig“), die sich als Quartett in 2002 formierten und seid dem Zuwachs einer Sängerin /Violinistin zu ihrer jetzigen Besetzung fanden.

Und seid sie in 2004 ihr Debutalbum "A Lovely Madness" veröffentlichten wollten die Loblieder, Preise und Einladungen in alle Welt kein Ende nehmen, der Beiname "New Folk Wizards" war schnell gefunden. Seid 2007 gibt es Album Nummer zwei, es heißt "Mischief" und ist noch erfolgreicher als sein Vorgänger.

Was aber ist nun anders als bei den hunderten Bands vor ihnen? Wer die fünf jungen Iren mal auf der Bühne erlebt wird wissen warum. Es ist diese Mischung der Traditionen der uralten Volksmusik mit den Persönlichkeiten und Vorlieben der juvenilen, musikalisch brillanter Akteure, die Beoga nicht nur für Freunde irischer Musik, sondern eben auch für den durchschnittlichen Popmusik-Hörer interessant macht

Vier Herren, eine Dame, und alle haben sie es faustdick hinter den sprichwörtlichen Ohren. Ihre Musik ist geprägt von typisch irischen Instrumentarium mit kleinen charakteristischen Eigenheiten. So verfügt Beoga gleich über zwei Knopf-Akkordeons, die sich in ständigen Rangeleihen immer neu anstacheln und mit ihren Spielern Seán Óg Graham (der immer wieder zu einer sehr beherzten Ausführung an der Lead- wie auch Rhythmusgitarre zurückgreift) und Damian McKee häufig das treibende und spielerischste Element der Musik sind.

Das Fundament von Beoga ist ohne Zweifel der großer Mann mit wenig Haaren an den Tasten- Liam Bradley sorgt für überraschende Akzentverschiebungen und das unglaublich drängende, groovende Rhythmusgerüst der Sets. Ebenfalls für Rhythmus und besonders für gute Laune sorgt Lockenkopf Eamon Murray an der Bodhrán, einer irischen Rahmentrommel. Der quirlige "All Ireland champion" feiert - fernab jeglicher Allüren - jede Note und versorgt Bandkollegen wie Publikum mit allerlei unterhaltsamer Einlagen.

Ganz nebenbei liefert der als "größtes Talent Irlands" gehandelter Murray Glanzleitungen an seinem Instrument und darf als einziger während der Live-Auftritte ein mehr-minütiges Solo hinlegen, bei dem kein Fuß am Boden bleiben dürfte.

Überhaupt sind die größtenteils eigenhändig komponierten Sets von solch entfesselnder, ansteckender Tanzlaune, dass selbst der muffeligste Zuschauer- und Hörer sich eines verstohlenen Fingerschnippens nicht erwehren kann. Großen Anteil an der durchweg positiven Ausstrahlung der Band besitzt zweifelsohne die charismatische Niamh Dunne an Mikrophon und Fiddle. Die Tochter einer wandernden Musikerdynastie wirkt neben Murray am konzentriertesten und spielfreudigsten, immer wieder spürt man, wie ihr der Rhythmus förmlich durch die Beine fährt, und während sie auf der Geige Bogen und Finger in wahnwitzigen Geschwindigkeiten in Einklang bringt ist nebenher immer noch Luft für die Kommunikation zu ihren Bandmitgliedern.

Kein Wunder also, dass die Fünf glänzend aufeinander eingespielt sind, hier ist eben keine zusammen-gecastete Band am Werke, sondern fünf perfekte Musiker und Freunde, die durch ihr erfrischendes Auftreten und ihre jugendliche Art den irischen Folk völlig entstaubt mit Anleihen aus Jazz und Blues kombinieren und so ein neues Bild der traditionsreiche Musik lancieren, ohne ihr die Wurzeln zu nehmen. Die Kompositionen der Sets liegen hauptsächlich in den Händen der eher ruhig auftretenden Damian McKee und Seán Óg Graham. Mit unglaublichem Gespür für Timing, Akzente und Steigerungen durchlaufen die Sets immer einen Spannungsbogen, und der Zuschauer wird immer wieder durch unvermittelte Temposteigerungen und Stopps überrascht. Bei allen Sets verzichtet man auf falschen Ernst, sucht nach Experimenten und im Detail versteckten Witzigkeiten. Hier dudelt kein Ton vor sich hin, die Intention ist selbst in den langsamen Airs, die Dunne mit herrlich unaffektierter, dunkel- temperierter Stimme singt zum greifen dicht.

Die enorm schwungvolle Wirkung, die Beoga beim Hörer hinterlässt resultiert ganz klar aus deren Gespür aufeinander zuhören, auf den Punkt zu spielen und nicht zuletzt aus dem ungeheuren Spaß, den sie beim spielen haben und mühelos auf ihr Publikum übertragen.

Wer da nicht am Ende ein Lachen auf dem Gesicht hat und ein Jucken in den Füßen, der muss ohne Zweifel gefühlskalt sein.
foto:



beoga
"mischief"
compass 2007 cd
beoga

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Melt! Festival [Gräfenhainichen, 18.-20.07.2008]

Noch größer sollte das Melt! in diesem Jahr werden und hat infolgedessen mit manchen Widrigkeiten zu kämpfen. Doch großartige Performances von Björk und vielen anderen entschädigen.


"can you hear the power?"
(fraktus)



Festivals sind schrecklich. Unüberschaubare Massen von Menschen schieben sich wie eine riesige Bisonherde über schier endlose Äcker, Flughafen-Vorfelder oder Motorsport-Rennstrecken, um ihre Idole in Stecknadelgröße auf riesigen Bühnen herumturnen zu sehen. Zwischendurch sucht man wahlweise bei 30 Grad Celcius vergeblich nach Schatten auf dem weiten Feld oder ein Platzregen verwandelt die gesamte Veranstaltung in eine reine Schlammschlacht. Das Zelt, in dem man eigentlich schlafen wollte, ist entweder überflutet oder voller Stechmücken, während die Nachbarn Tag und Nacht Flogging Molly in Clublautstärke hören und einem die sowieso spärlichen Biervorräte klauen.

Wer Festivals aus diesen und vielen anderen Gründen hasst, der geht normalerweise aufs Melt!. Die Anzahl der Besucher ist ebenso überschaubar wie das Gelände, das mit seinen riesigen Tagebaubaggern eine verführerische post-apokalyptische Urbanität ausstrahlt. Dazu haben die Organisatoren, die aus dem Hause der Zeitschrift Intro stammen, eine Booking-Abteilung, die in der deutschen Festivallandschaft ihresgleichen sucht. Da nimmt man auch mal ein Wochenende lang das ungeliebte Camping auf sich. In den letzten beiden Jahren herrschte eitel Sonnenschein, was zum direkten Sprung vom Zelt in den See, der die Halbinsel Ferropolis umgibt, verführte. In diesem Jahr herrschte allerdings kaum Badewetter, weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne, was sich allerdings im Vorfeld schon erahnen ließ. Zwar wurde mit Björk ein formidabler Headliner gebucht, dafür musste das Programm auf drei Tage gestreckt werden. Erstmals sollte nicht nur freitags und samstags die Nacht hindurch gefeiert werden, der Sonntag Abend sollte nun als Höhepunkt der Feierei die Krone aufsetzen. Passend dazu wurde Lützenkirchens drei Tage wach zur Melthymne erklärt, eine deutliche Abkehr vom bisher gepflegten Understatement.

Weg vom Understatement und hin zur Masse, diesen spontanen Eindruck vermittelte das Festivalgelände gleich im ersten Moment. Die Gemini Stage war von ihrem ursprünglichen Platz versetzt worden, um vor der Hauptbühne in der Veranstaltungsarena eine größere Zuschauerfläche als bisher zu schaffen, während der Melt!Klub am äußersten Rand des Geländes zwischen Zaun und Backstage-Bereich eingeklemmt lag. Die deutlich verlängerten Wege von Bühne zu Bühne schafften so gleichzeitig Platz für mehr Publikum. Dieser Eindruck bestätigte sich prompt: Wer nicht frühzeitig zu den ersten Acts aufs Festivalgelände gekommen war, sah sich mit einer scheinbar endlos lange Schlange am viel zu kleinen Bändchenstand konfrontiert. Die Wartezeit betrug teilweise bis zu drei Stunden, das Gedränge artete auf seinem Höhepunkt sogar in eine kleine Panik aus.

Zu diesem Zeitpunkt war das Programm bereits in vollem Gange, wer noch nicht auf dem Gelände war, verpasste auf der Hauptbühne Acts wie die Fotos, Lightspeed Champion oder Blood Red Shoes. Richtige Stimmung wollte aber zunächst nur auf der Gemini Stage aufkommen, die man an diesem Abend durchaus in Underaged Tent hätte umbenennen können. Dúné machten den Anfang, doch vor allem Late Of The Pier brachten das sehr junge Publikum schon früh zum Tanzen und Schwitzen. Bei all der gepflegten Gute-Laune-Langeweile, den die New-Rave-Welle versprüht, gehören die vier jungen Briten zu den wenigen Bands, die wirklich spannende Sounds generieren. Gefällig aber ebenso auch substanzlos präsentierten sich anschließend The Teenagers, deren Sänger neben all seiner Aufgedrehtheit vor allem durch Beschwerden wegen blendender Scheinwerfer auffiel.

Am späten Abend trat ein, was die Wetterprognosen hatten befürchten lassen und ein schwerer Platzregen ging über Ferropolis nieder. Der Auftritt von Kate Nash verzögerte sich nicht zuletzt aufgrund von technischen Problemen immer mehr, während das Publikum Schutz in den spärlichen Zelten oder dem Melt!Klub suchte, wo kurz darauf The (International) Noise Conspiracy mit ihrem Set begannen. Schnell wurde deutlich, dass die Band ihre besten Tage hinter sich hat, der wild gestikulierende und umherspringende Dennis Lyxzén wirkte wie ein lebender Anachronismus. Allerdings wurde der Eindruck durch einen grauenhaften Sound verstärkt, unter dem alle im Melt!Klub auftretenden Acts zu leiden hatten. Dann doch lieber Zoot Woman, die auf der Gemini Stage überraschend viel Freude bereiteten. Normalerweise für ihre sterilen Auftritte bekannt, wurden die Briten vom Publikum enthusiastisch gefeiert. Darauf folgte allerdings eine böse Überraschung: Zunächst wurde wie geplant das Set von Hercules and Love Affair, einem heimlichen Headliner des Abends, aufgebaut. Nach kurzer Zeit wurde die Bühne jedoch wieder freigeräumt und für Alter Ego präpariert. Ohne Ankündigung starteten diese mit ihrer Show und ließen zunächst das Publikum in Verwirrung ob der ungewöhnlichen Sounds erstarren. Nach einem größeren Schockmoment stellte sich das Publikum überraschend gut auf den unerwarteten Act ein und feierte den amtlichen Auftritt. Erst danach wurde offiziell verkündet, dass Hercules and Love Affair komplett ausfielen und Alter Ego für das um drei Stunden vorverlegte Set gedankt.

Ärgerlich war der Ausfall sicherlich, doch vor allem war dessen Vermittlung symptomatisch für die mangelnde Kommunikation zwischen Organisation und Publikum: Über die reichlichen Verschiebungen im Zeitplan wurde man nicht informiert, obwohl diese bereits um Mitternacht auf fast jeder Bühne bis zu einer Stunde betrugen. Zwar wurde jede Band und jeder DJ mit teilweise großartigen Visuals auf hinter den Bühnen angebrachten Leinwänden bedacht, auf gleiche Art und Weise Aktualisierungen des Zeitplans anzukündigen, kam den Machern allerdings nicht in den Sinn. Einzig der Big Wheel Floor versorgte die Masse ununterbrochen und zuverlässig mit Beats, im Rahmen eines Kompakt-Specials legten unter anderem Größen wie Burger/Voigt, Gui Boratto oder Sascha Funke auf.

Im Laufe der Nacht klarte der Himmel zunehmend auf und mit der Trockenheit füllte sich auch das Veranstaltungsgelände immer mehr. So war der Platz vor der Hauptbühne ausschließlich bei den Editors einigermaßen voll, Robyn stieß anschließend trotz einer sehr angenehmen Bühnenpräsenz nur auf mäßige Resonanz. Währenddessen platzte bei Alexander Marcus der Melt!Klub aus allen Nähten und auch die Gemini Stage war zeitweise völlig überlaufen. Eine paradoxe Situation war durch die Neuaufteilung des Geländes entstanden, die aus der Erhöhung der Publikumszahlen resultierte.

Am Samstag war wettertechnisch keine Besserung in Sicht, was Anlass zu Sorge gab. Zwar ist Ferropolis in weiten Teilen betoniert, doch das übrige Gelände versank nun im Matsch. Das Streuen von Sägespänen oder Rindenmulch hätte sicherlich manches bewirken können, doch wurde dies vom Veranstalter schlicht versäumt. Den Mittag vertrieben sich Eingeweihte und zufällig Vorbeischlendernde beim Audiolith-Parkplatzrave, der auf einer provisorischen Bühne vor dem Eingangsbereich stattfand. Zum offiziellen Beginn auf der Hauptbühne, den Peter Licht gestaltete, setzte prompt Nieselregen ein. Dies sollte sich bis zum Auftritt von The Notwist kaum ändern, als der Regen zu einem mächtigen Schauer anwuchs. Wie auch am Freitag klarte sich der Himmel bereits kurz nach dem Gewitter auf und die Show konnte mit ordentlicher Zeitverzögerung weitergehen. Die Weilheimer spielten jedoch nur 45 Minuten, ein viel zu kurzes Set. Gerade hatten sie sich musikalisch aufgewärmt, da mussten sie die Bühne schon wieder verlassen.

Wenig später schien das halbe Festivalpublikum in den Melt!Klub zum Auftritt von The Whitest Boy Alive zu drängen, dem inoffiziellen Geheimtipp des Abends. Wie auch schon vor zwei Jahren an gleicher Stelle war die Räumlichkeit viel zu klein, so dass nur die Wenigsten die Band um Erlend Øye tatsächlich zu sehen bekamen. Offizieller Headliner des Samstages waren Franz Ferdinand, die allerdings mächtig enttäuschten. Zwar waren sie bemüht, doch der Sound war völlig drucklos, die Rhythmussektion schien vor lauter Behäbigkeit fast einzuschlafen. Ganz anders hingegen Roisin Murphy: Die ehemalige Sängerin von Moloko gab die Diva, wechselte zu fast jedem Song ein Kleidungsstück, setzte ihren eigenen elektronischen Popentwurf gekonnt in Szene. Ihr Auftritt war extravagant und mitreißend, ohne je aufgesetzt zu wirken.

Auf den übrigen Bühnen war zu diesem Zeitpunkt das Partyprogramm bereits in vollem Gange. Die Crookers brachten den intimen Music Academy Floor mit ihrer italienischen Version von Electro House zum kochen. Ein kurzer Blick auf die Gemini Stage genügte, um festzustellen, dass Uffie tatsächlich die Paris Hilton der Elektro-Szene ist und kaum mehr vermag, als naiv mit den Hintern zu wackeln. Bei Boys Noize schien das Publikum ganz selbstreferentiell jeden Track abzufeiern, was ein wenig clownesk anmutete. Entspannter ging es da auf dem Big Wheel Floor zu, wo Mathew Johnson allerdings ein wenig Anlauf brauchte, um in Fahrt zu kommen.

Der erste Sonntag der Meltgeschichte konnte nach zwei durchfeierten Nächten zunächst zu kaum mehr als Entspannung oder Abreise dienen. Mancher Gast haderte neben dem regnerischen Wetter mit der in diesem Jahr leider völlig unzureichenden Organisation. Neben dem Bändchenchaos sorgten insbesondere schlechtes Zeitmanagement und kaum existente Informationspolitik für Aufregung. Probleme mit der Security und unzureichende Sanitäranlagen waren schon im letzten Jahr von vielen beanstandet worden, nun hatte sich die Situation noch verschlimmert. Doch die frustbedingte vorzeitige Abreise wurde womöglich von manchen bereut, denn ausgerechnet der Sonntag zeigte sich erstaunlich wetterstabil. Das Konzertprogramm wurde nur noch auf der Hauptbühne absolviert, während das Kollektiv Berlin Battery die Gemini Stage beschallte. Man konnte sich gemütlich im Sonnenschein fläzen Los Campesinos!, Neon Neon und Get Well Soon beim Musizieren zusehen, ohne ständig den Himmel im Auge zu habe oder die Regenjacke auspacken zu müssen. So richtig füllen wollte sich die Veranstaltungsarena allerdings erst zu Battles, deren anspruchsvoller Math-Rock überraschend gut ankam. Die Melt-Dauergäste von Hot Chip bemühten sich zwar redlich, hatten aber mit einem matschigen Sound und Technikpoblemen zu kämpfen, gestikulierten immer wieder wild in Richtung Bühnentechniker.

Danach gab es nur noch das Warten auf den unumstrittenen Festivalhöhepunkt. Eine angenehme Spannung machte sich breit und das gesamte Publikum schien sich nur auf einen Moment zu konzentrieren. Die Bagger verschwanden erstmals im Dunkeln, während die Bühne mit bunten Fahnen und Bildschirmen ausgestattet wurde. Schließlich marschierte Björk mit großem Blechbläserensemble auf und löste die Anspannung der Vorfreude in einem wohligen Schauer auf. In 80 Minuten entschädigte sie für all die unangenehmen Momente des Festivals. Ob Bläser-Arrangements oder bollernde Beats, das Publikum war völlig verzaubert.

Das Melt fand so einen versöhnlichen Abschluss, auch wenn es zuvor manchen Ärger gegeben hatte. Das Festival zehrte von der großartigen Kulisse, tollen Bands und Künstlern und nicht zuletzt von dem guten Ruf, den es sich in den letzten Jahren aufgebaut hatte. Die Vergrößerung auf über 20.000 zahlende Gäste hat der Veranstaltung nicht gut getan, vor allem schien die Organisation mit der Masse überfordert. Der Nimbus als einzigartiges Festival von überschaubarer Größe und nahezu intimem Charakter ist jedenfalls verloren. Im nächsten Jahr werden die Macher jedenfalls einiges an Energie aufwenden müssen, um das verloren gegangene Vertrauen wiederzugewinnen, sonst droht es im allgemeinen Festivalsumpf stecken zu bleiben.
foto: uta bohls


melt! festival
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