Beoga [Paderborn, 29.7.2008]

"Die Wiege des kleines Kobolds wurde umdrängt von den Feen der kleinen grünen Insel, und alle hatten sich die besten Wünsche für den Kleinen überlegt und legten ihm diese zu den kleinen Füßen. Er möge die Wurzeln seines Landes weiterführen, sich immer seiner Vorfahren erinnern und ihr Erbe stolz weiterführen. Eine Fee aber legte ihm eine kleine Geige in die Wiege und sagte: Du sollst fröhlich und lebendig sein und die Menschen zum lachen bringen!"


"gravity couldn't keep me down."
(delicate thing)


Wenn wir von Westeuropa unseren etwas hochnäsigen Blick Richtung Großbritannien, das auf uns mit seiner Monarchie sowieso leicht verschroben wirkt lenken und neben der großen Insel noch die kleinere links daneben so auf der Landkarte entdecken, fallen uns viele Dinge dazu ein.

Obwohl wir nicht da waren können wir so einiges beisteuern zum Thema "Irland". Wir denken an endlose Grünflächen, an Schafe und alte Männer, die abends gemütlich zum nächstbesten Pub schlendern und unendlich viel Guinness trinken. Sie haben alle rote Haare und das Wetter ist meistens schlecht. Dann fällt einigen noch ein, dass sie in der sechsten Klasse im Musikunterricht mal so lustige schnelle Musikstücke aus Irland gehört haben mit Geigen und Flöten und schon ist das Bild vom typischen Iren gemalt und das Vorurteil hübsch abgerundet.

Soweit so vorschnell. Denn das eingefahrene Bild der alternden Herren, die in düsteren Ecken Geige, Klavier und Akkordeon bedienen bedarf dringender Überholung. Die Jugend schläft nicht, und schon gar nicht ruht sie sich auf den musikalischen Lorbeeren ihrer Väter aus. Erstaunlicherweise hat die irische Volksmusik auch bis heute – in, gerade im Bezug auf Musik, fast vollständig globalisierten Zeiten- nicht an Anziehungskraft auf ihre Landsleute verloren, junge Bands sprießen aus dem Boden wie Kleeblätter und verhelfen der jungen Folk-Szene in Irland zu regem Zuwachs.

Mittendrin und doch etwas exponiert sind Beoga (gälisch für „lebendig“), die sich als Quartett in 2002 formierten und seid dem Zuwachs einer Sängerin /Violinistin zu ihrer jetzigen Besetzung fanden.

Und seid sie in 2004 ihr Debutalbum "A Lovely Madness" veröffentlichten wollten die Loblieder, Preise und Einladungen in alle Welt kein Ende nehmen, der Beiname "New Folk Wizards" war schnell gefunden. Seid 2007 gibt es Album Nummer zwei, es heißt "Mischief" und ist noch erfolgreicher als sein Vorgänger.

Was aber ist nun anders als bei den hunderten Bands vor ihnen? Wer die fünf jungen Iren mal auf der Bühne erlebt wird wissen warum. Es ist diese Mischung der Traditionen der uralten Volksmusik mit den Persönlichkeiten und Vorlieben der juvenilen, musikalisch brillanter Akteure, die Beoga nicht nur für Freunde irischer Musik, sondern eben auch für den durchschnittlichen Popmusik-Hörer interessant macht

Vier Herren, eine Dame, und alle haben sie es faustdick hinter den sprichwörtlichen Ohren. Ihre Musik ist geprägt von typisch irischen Instrumentarium mit kleinen charakteristischen Eigenheiten. So verfügt Beoga gleich über zwei Knopf-Akkordeons, die sich in ständigen Rangeleihen immer neu anstacheln und mit ihren Spielern Seán Óg Graham (der immer wieder zu einer sehr beherzten Ausführung an der Lead- wie auch Rhythmusgitarre zurückgreift) und Damian McKee häufig das treibende und spielerischste Element der Musik sind.

Das Fundament von Beoga ist ohne Zweifel der großer Mann mit wenig Haaren an den Tasten- Liam Bradley sorgt für überraschende Akzentverschiebungen und das unglaublich drängende, groovende Rhythmusgerüst der Sets. Ebenfalls für Rhythmus und besonders für gute Laune sorgt Lockenkopf Eamon Murray an der Bodhrán, einer irischen Rahmentrommel. Der quirlige "All Ireland champion" feiert - fernab jeglicher Allüren - jede Note und versorgt Bandkollegen wie Publikum mit allerlei unterhaltsamer Einlagen.

Ganz nebenbei liefert der als "größtes Talent Irlands" gehandelter Murray Glanzleitungen an seinem Instrument und darf als einziger während der Live-Auftritte ein mehr-minütiges Solo hinlegen, bei dem kein Fuß am Boden bleiben dürfte.

Überhaupt sind die größtenteils eigenhändig komponierten Sets von solch entfesselnder, ansteckender Tanzlaune, dass selbst der muffeligste Zuschauer- und Hörer sich eines verstohlenen Fingerschnippens nicht erwehren kann. Großen Anteil an der durchweg positiven Ausstrahlung der Band besitzt zweifelsohne die charismatische Niamh Dunne an Mikrophon und Fiddle. Die Tochter einer wandernden Musikerdynastie wirkt neben Murray am konzentriertesten und spielfreudigsten, immer wieder spürt man, wie ihr der Rhythmus förmlich durch die Beine fährt, und während sie auf der Geige Bogen und Finger in wahnwitzigen Geschwindigkeiten in Einklang bringt ist nebenher immer noch Luft für die Kommunikation zu ihren Bandmitgliedern.

Kein Wunder also, dass die Fünf glänzend aufeinander eingespielt sind, hier ist eben keine zusammen-gecastete Band am Werke, sondern fünf perfekte Musiker und Freunde, die durch ihr erfrischendes Auftreten und ihre jugendliche Art den irischen Folk völlig entstaubt mit Anleihen aus Jazz und Blues kombinieren und so ein neues Bild der traditionsreiche Musik lancieren, ohne ihr die Wurzeln zu nehmen. Die Kompositionen der Sets liegen hauptsächlich in den Händen der eher ruhig auftretenden Damian McKee und Seán Óg Graham. Mit unglaublichem Gespür für Timing, Akzente und Steigerungen durchlaufen die Sets immer einen Spannungsbogen, und der Zuschauer wird immer wieder durch unvermittelte Temposteigerungen und Stopps überrascht. Bei allen Sets verzichtet man auf falschen Ernst, sucht nach Experimenten und im Detail versteckten Witzigkeiten. Hier dudelt kein Ton vor sich hin, die Intention ist selbst in den langsamen Airs, die Dunne mit herrlich unaffektierter, dunkel- temperierter Stimme singt zum greifen dicht.

Die enorm schwungvolle Wirkung, die Beoga beim Hörer hinterlässt resultiert ganz klar aus deren Gespür aufeinander zuhören, auf den Punkt zu spielen und nicht zuletzt aus dem ungeheuren Spaß, den sie beim spielen haben und mühelos auf ihr Publikum übertragen.

Wer da nicht am Ende ein Lachen auf dem Gesicht hat und ein Jucken in den Füßen, der muss ohne Zweifel gefühlskalt sein.
foto:



beoga
"mischief"
compass 2007 cd
beoga