The Dresden Dolls [Frankfurt Am Main, 30.11.2004]

Der Musik das Leben eingehaucht.
Mehr als nur die Summe ihrer Einflüsse präsentieren die Dresden Dolls auf der Bühne. Ein Konzert von bestechender Präsenz und Verbundenheit mit der Musik.



"i'm on fire."
(amanda palmer)

Bereits im September beehrten die Dresden Dolls Deutschland mit vier Konzerten. Wer sich kurzfristig entschloss, ein Konzert zu besuchen, lief Gefahr, vor den Türen der ausverkauften Clubs abgewiesen zu werden. Bei der zweiten Europatour dieses Jahr gab es erneut zwei Mal die Möglichkeit, das Bostoner Duo hierzulande live zu erleben. Das Pop and Glow im ehemaligen Frankfurter English Theatre ist mit rund 350 Leuten zwar nicht ausverkauft, aber gerade angenehm gefüllt, um weder Platzängste noch Einsamkeitsgefühle aufkommen zu lassen. Nicht unge-wöhnlich, ist Frankfurt doch nicht gerade für seine große Indieszene bekannt, welche schon aufgrund eines bei Fast Forward gespielten Videos in Scharen zu einem Konzert selbiger Band pilgern würde, wie eben im September geschehen. So differenziert sich bei diesem Konzert das Publikum angenehm in Seitenscheitelträger und Normalos, Dark-Waver und Banker. Und es ist auch der richtige Ort für solch ein atmosphärisches Konzert. Der Saal ist in tiefem Rot gehalten und mit Teppichboden ausgelegt, in kleinen Stufen leicht ansteigend.

Auf Amanda Palmers E-Piano müsste eigentlich der Name des amerikanischen Keyboardherstellers Kurzweil stehen. Doch durch Überkleben wurde daraus kurzerhand ein Kurtweill. Eine Referenz die Sinn macht, ist Kurt Weill doch der wichtigste musikalische Fixstern im Mikrokosmos der Dresden Dolls. Dieser speist sich aus dem Chanson und Kabarett der zwanziger Jahre, dunkler Gothic-Ästhetik und rotziger Punk-Attitüde. Es ist jedoch kein beliebig zusammen gewürfeltes Konglomerat, sondern vielmehr hervorragend abgestimmte Vielschichtigkeit, eine Art Variete, in dem verschiedene Einflüsse zu einem großartigen Bildnis verschmelzen. Die Gesichter der Beiden sind in grellem Weiß geschminkt, aufgesetzte Masken, die besonders dem Schlagzeuger Brian Viglione eine harlekineske Erscheinung geben. Gestützt wird dies durch seine Melone, ein weißes Hemd und schwarze Shorts. Er scheint hinter seinem Drumset eine kleine Zirkusvorstellung zu geben, mit weit ausholenden Bewegungen gibt er seinem Spiel Raum, er schlägt auf sein Schlagzeug ein oder streichelt es sanft, alles mit überdeutlicher Gestik nachgezeichnet. Jede seiner Bewegungen wirkt mechanisch, sein Gesicht verzieht sich immer wieder einem Pantomimenspiel gleich auf unterschiedlichste Art und Weise, er scheint sich gar in den besungenen Coin-Operated Boy verwandelt zu haben und so mit dem Publikum zu kommunizieren.

Amanda Palmer ist von eher kabarettistisch-anzüglicher Gestalt. Mit Ringelstrapse und kurzem schwarzem Kleid bekleidet beweist sie, wie unglaublich kräftig und variabel ihre Stimme ist. Sie ist das kleine Mädchen, dass mal bittend mal kreischend Aufmerksamkeit begehrt. Gleichzeitig ist sie das bestimmende Element, sie lässt Brian nach ihrer Pfeife tanzen, er scheint folgsam ihre Anweisungen auszuführen. Doch auch musikalisch ist sie das bestimmende Element, er orientiert sich immer wieder an ihrem filigranen Pianospiel. Vom ersten Moment an versprüht das Duo auf der Bühne eine magische Energie, die Atmosphäre ist vom ersten Akkord an angespannt, Good Day ist wie auch auf dem selbstbetitelten Album die Einführung in die Welt der Dresden Dolls. Dessen musikalische Umsetzung auf der Bühne lässt überzeugen. Eine fast schon unheimliche Dynamik lässt die Songs zum Leben erwecken, Amanda und Brian pushen sich gegenseitig und verlieren sich in der Musik. Ihre Stärke ist das absolute Verbundensein mit ihrer Musik, sie machen keine Kunst, sondern erwecken diese zum Leben. Das Publikum dankt es immer wieder mit frenetischem Applaus und vollkommener Stille während den Stücken. Die Atmosphäre ist völlig zerbrechlich, ein einziges gesprochenes Wort wäre wie eine in tausend Scherben zerberstende Flasche.

Doch auch Kurt Weill und Bertolt Brecht wird explizit mit dem in Deutsch vorgetragenen Und was bekam des Soldaten Weib gehuldigt. Hier offenbaren sich Amandas Deutsch-Kenntnisse, von denen sie behauptet, "sie seien im Arsch". Der erste Coversong des Abends versetzt das Publikum allerdings deutlich mehr in Erstaunen, Warpigs von Black Sabbath wird dem amerikanischen Präsidenten gewidmet und in einer Version vorgetragen, die Tote auferstehen lassen könnte. Gegen Ende wird ein kleines Akustikset mit Brian an der Gitarre gespielt, mit einer großartigen Version des Jaques Brel-Klassikers Amsterdam, verzückend und spielerisch leicht verabschieden sich die Beiden, werden vom Publikum jedoch zwei Mal eindringlich wieder auf die Bühne gebeten und scheinen ob der großen Zustimmung verwundert zu sein. Doch das Publikum hat verstanden, was für eine Show hier gespielt wird, seine Rolle nur allzu gerne übernommen und hervorragend gespielt. So wurde dieses kongeniale Duo in der Bühnenversion um einen wesentlichen Part erweitert.
foto: olav karlsson