Favez [Old & Strong In The Modern Times]

Gentlemen, start your engines. Again?
Die Schweizer Favez sind bei ihrem fünften Album angekommen, und besinnen sich mal wieder darauf, alles beim alten zu belassen. Eben alt und stark in der modernen Zeit.



"it started out with a bang, my friend, it almost ended up in tears."
(looking for action)


Die Albumtitel der seit '99 bei dem ehrwürdigen Stickman Label in Hamburg unter Vertrag stehenden Favez lesen sich wie Hinweise in einem Inhaltsverzeichnis. "A Sad Ride On The Line Again", das melancholische, rein akustische Debüt, wurde von "Gentlemen Start Your Engines" gefolgt, welches nichts weiter als eine offensichtliche Anweisung für dieses elektrisch verstärkte Rockalbum war. "From Lausanne, Switzerland" sendet Grüße aus der Heimatstadt in einer deutlich aggressiveren Schreibweise und wurde 2003 von "Bellefontaine" gefolgt, betitelt nach dem Studio von Bassist Yvan Lechef in der Bellefountaine Avenue. Die Überschrift lautete weiterhin Rock, am besten in Großbuchstaben, und dies lässt sich auch bei Veröffentlichung Nummer fünf nicht abstreiten.

Für die Arbeiten an "Old And Strong In The Modern Times" reiste man in ein kleines Studio mit Meerblick in Sant Feliu, Spanien, jedoch nicht ohne eine gewisse Anspannung. Während der Vorbereitung zum neuen Album steckten die Herren in einer Krise, getragen durch Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Materials und einer daraus resultierenden Zerrüttung. Niemand will sagen, dass sie kurz davor standen sich aufzulösen, aber ein nicht abzusehendes Verhängnis zeichnete sich ab. "Wir wollten nicht auf Studio Tricks angewiesen sein, sondern ein destyled Album machen", erklärt Chris Wicky. Gesang, Bass, Schlagzeug und Gitarren. Puristisch. Spanien half ihnen dabei, sich auf eben diese Arbeit, auf das wesentliche zu besinnen, und als Rockband wieder zu funktionieren. "Wir haben wieder miteinander gelacht", fährt er fort, "die Umstände waren einfach wunderbar. Wir haben das gesamte Equipment in einen kleinen Raum gestellt. Die Gitarren und der Bass überlagerten Stellenweise die Schlagzeug Mikrofone. Es herrschte eine relaxte Atmosphäre". Eine überraschende Wendung im theoretischen Gerüst der elf neuen Stücke ergab sich daraus, dass man das eigentliche Songwriting zu großen Teilen Yvan Lechef und Fabrice M., dem Bassisten und dem Schlagzeuger also, überlies, und somit ein Rhythmus betonteres Album entstanden ist.

Das klingt alles nach sehr ambitionierter Arbeit, und tatsächlich der Sound der neuen Stücke ist deutlich energischer und druckvoller als auf den letzten Alben. Das Dilemma von Favez, dieser unbeirrbar hart arbeitenden Live Band ist jedoch, dass man sich im Laufe der Zeit seit dem Debüt "A Sad Ride On The Line Again" - sieht man einmal von den vorherigen Veröffentlichungen unter dem Namen Favez Disciples ab - immer weiter in der kreativen Entfaltung eingeschränkt hat, und sich somit einer unausweichlichem Reproduktion gegenüber positioniert. "Old And Strong In The Modern Times" klingt nicht von ungefähr nach einem großväterlichen Begehren nach dem Status Quo in einer sich wandelnden Zeit. Veränderung zu den Vorgängern wird nur noch im Detail sichtbar. Favez scheinen ihr anfängliches Talent und Gespür für ideenreiches Songwriting, zu welchem sie spielerisch ohne Zweifel im Stande wären, dogmatisch selbst zurückzuhalten, es hinter das Anliegen bodenständigen Rock zu produzieren stellen, und bewegen sich so auf eine stete Wiederholung ihres Schaffens zu. Ein Schelm, wer dabei eine Analogie ersinnt, doch wie war das damals mit dieser britischen Band mit dem pragmatischen, unbeabsichtigt selbstironischen Namen Status Quo? Alles bewegt sich im sicheren Drei-Minuten-Rahmen, und eine Ausnahme, wie das elegische, letzte Stück des Albums, das wuchtige, mit Gitarrensoli überlagerte Ghost Of Winters Past, bestätigt lediglich die Regel. Der anständig verzerrte Bass und das polternde, mit verneigender Metal Geste gespielte Schlagzeug bieten die Grundlage, auf der sich die Gitarren austoben dürfen, und dies bei jeder Gelegenheit ausgiebig tun. Namen wie Guns 'N' Roses, Slayer und sogar ZZ Top werden im vertriebseigenen Magazin genannt. Damit greift man das prunkvolle Rockpathos auf, welches sich auch stellenweise durch die Texte zieht. "Well I'm a desolate winner and I'm looking for a place to go / I've got no wind and no sails and no good intentions anymore / I’ll get no heaven in return for this empy shell and when i get across the river / There'll be no one waiting down on the shore", singt da ein verzweifelter Lonesome Chris Wicky im Desolation Blues. Es geht um das Leben in einer Band jenseits der Dreißig, es geht um die Arbeit in einem Rock Club, um Bars und Liebe, sagen sie. Ein wenig amerikanischer Gestus, der sich da in der Eidgenossenschaft zu zeigen weiß. Solide Rockmusik. Nicht mehr, auch wenn Favez, beim ausschöpfen ihres Potentiales mehr zeigen könnten, als die kurzen Lichtblitze, die man mühsam in den neuen Stücken suchen muss.

"Das ist das Album, welches ich meinen Kindern einmal vorstellen werde, wenn sie mich fragen, weshalb ich niemals einen anständigen Beruf gelernt habe, wie all die anderen Väter, und vielleicht werden sie es verstehen, und mich nicht für all die Ski Ferien hassen, die sie niemals bekommen werden." Mit diesen Worten schließt Sänger und Gitarrist Wicky den eigenen Begleittext zum neuen Album, und man möchte ihm die leidenschaftliche Betrachtung des eigenen Werkes ja gönnen, aber man hofft, dass er sich, wenn die Zeit kommt, für ein früheres Album entschieden hat.
foto: favez



favez
"old & strong in the modern times"
stickman records 2005 cd
favez