Cloroform [Hannover, 30.01.2006]

"What can we say about Germany? Warm beer and a warmer welcome. All the shows were the best and we can honestly say that we have never felt an energy like we did while we were out there. The people at shows were a delight."
(John Erik Kaada)

"what can we say? the tour was a blast!"
(j. e. kadaa)


"The Good Times Are Killing Me", konnte im Laufe des Abends noch des Öfteren als rot leuchtender LCD-Schriftzug auf dem Gürtel von John Erik Kaada zu lesen sein. Wie Pete Townsend, dem Mastermind hinter den legendären Who, traten die drei Herren von Cloroform nebst ihrem Gastmusiker in Arbeiter-Overalls gekleidet im hannoveranischen Chez Heinz, zum Abschluss ihrer ersten Deutschland Tour auf. Und ganz wie in den sechs anderen Orten zuvor konnten sie auch an diesem Abend das Publikum – bunt gemischt zwischen Altrockern, Indie Nerds und Leuten in dem Outfit was man heute Punk nennt und dem was man vor zwanzig Jahren als Punk ansah – mit der Zeit für sich gewinnen. Bedingungslos.

Man muss sich erst an die ironische Art gewöhnen, die John Kaada bis zur Perfektion in seiner Performance auslebt; die heuchlerischen Gesten in den Liebesliedanleihen, das überspielt maskuline Auftreten, das kurzweilige Headbangen zwischen den beiden gleichzeitig bedienten Keyboards, und der Wechsel von fiepsigem Flüstern und megalomanischen Geschrei.

Auch wenn sich der Club nur langsam füllt und die Vorband eher auf lokalpatriotischer Ebene begeistern konnte, ist der Auftritt der Norweger berauschend. Die vorgetragenen Stücke sind fast ausnahmslos von dem aktuellen Album und dessen Vorgänger "Hey You Let’s Kiss" und bewegen sich irgendwo zwischen Deathmetal, Pop und Free Jazz. Filigran und Roh in gleichem Maße.

Øyvind Storesund malträtiert seinen Bass einstweilen mit Faust und Drumstick und entlockt ihm dabei einen so treibenden aber präzise auf den Punkt gebrachten Groove, dass es eine Freude ist ihm zuzusehen. Børge Fjordheims Schlagzeugspiel ist ähnlich berauschend; die Energie und den Druck eines Heavy Metal Drummers mit dem Feingefühl und der Ästhetik eines Jazz Schlagzeugers kombiniert, perfektioniert er die Rhythmusarbeit an diesem Abend. Der große Aufwand der musikalischen Abwechslung und spielerischen Sorgfalt der Platten begegnet einem live so lässig aus dem Ärmel geschüttelt, dass es anderen Bands vermutlich schwarz vor Augen werden dürfte.

"Wir sind nicht mit leeren Händen nach Deutschland gekommen", grinst John Kaada und weist darauf hin, dass Cloroform das größte Rockriff aller Zeiten in Petto hätten. "Vergesst Led Zepplin und AC/DC", lässt er großspurig verlauten und zählt dann während des Stückes die letzten Takte herunter bis ein brachialer Gitarrensound begeistert, für welchen sich der kleine Mann mit der Gitarre verantwortlich zeigt.

Raldo Useless, eigentlich als Gastmusiker der sich im letzten Jahr aufgelösten Band Gluecifer anwesend, erscheint manches mal etwas verloren in seinem weißen Overall. Einen Kopf kleiner als jedes andere Bandmitglied steht er da und verliert sich selbst in begeistertem Grinsen, wenn er versucht seinen Einsatz nicht zu verpassen. Keine leichte Aufgabe bei einer Band, die sich ganz offensichtlich so blind versteht, dass die stellenweise ausufernden Improvisationen – gleich wohl von Schlagzeug, Kontrabass, Keyboard oder sogar einem sensationell gepfiffenen Solo von Øyvind Storesund – durch winzige Details wieder zum Einsteig der anderen Instrumente auffordert. Dennoch war es definitiv dieser kleine Mann in dem weißen "Service Team" Anzug der eine Lanze für die Band brechen konnte. War er als gefeierter Gitarrist doch der Überzahl der Zuschauer bekannt. Und aus sicherer Quelle weiß ich, dass einige Fans fast ausschließlich wegen ihm an diesem Abend vor Ort waren. Allerdings sollte dies nicht der einzige Grund bleiben weshalb zum Ende kein Bein mehr still stehen konnte, wenn man seinen Blick durch die Mengen wandern lies.

"Genau so war es an jedem Abend", erklärt mir Daniel Theuerkaufer an dem Tisch, auf dem die bereits fünf veröffentlichten Platten der Band zum Verkauf ausliegen. Zunächst sei das Publikum verständlich etwas distanziert gewesen, wusste man doch wenig mit den vier Herren anzufangen. Und die wenigsten kannten ihre Stücke bereits im Vorfeld. Im Laufe der Zeit tummelte man sich jedoch allerorts vor den Bühnen und Begeisterung machte sich auf den Gesichtern breit, beschreibt er den Verlauf der Tour. Und so zeigt sich auch ein zufriedenes Lächeln im Gesicht des jungen Labelbosses. "Den Jungs hat es irren Spaß gemacht." Und so sind auch wir empfänglichen Rezipienten der Band glücklich und freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen.
foto: nina solheim

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