September Malevolence [After This Darkness, There's A Next]

Wiedereinmal ist Göteborg Ausgangspunkt einer musikalischen Reise, die ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen weiß, dabei aber nicht vom melancholischen Kern der Musikszene dieser südschwedischen Metropole abweicht.



"oh my god, it's been ages, look at you now."
(i shut doors and windows)


Wie in Jules Vernes "Voyage Au Centre De La Terre", der Reise zum Mittelpunkt der Erde, in welcher unterirdische Kulturen, niemals den Himmel sehend, in unvorstellbar großen, Vorhöllen gleichen Höhlen existieren, erscheinen die Nomaden auf dem sepiagefärbten Cover des zweiten Albums der Schweden mit dem vorsätzlich düsteren Namen. Auf Pferden und Kamelen bewegt man sich in einer utgardschen Verlorenheit mit riesenwüchsigen Stalagmiten, die sich aus dem Höhlenboden empor winden. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man, dass das Übel von noch größerem Ausmaß sein könnte, man sich tatsächlich auf unserer nicht wieder zuerkennend verdunkelten Erdoberfläche befindet, der Himmel von schwarzen Wolken überspannt, und es tatsächlich leuchtturmdicke Tornados sind, die sich aus einem See heraus bedrohlich in die Höhe schrauben. Keiner der fliehenden Reiter wird dieses harmagedonische Szenario in irgendeiner Weise überleben. Und selbst wenn, hält der Titel eine weitere Hiobsbotschaft für diese bereit: "After This Darkness, There`s A Next".

Das ausweglos Klaustrophobische ist der rote Faden, den September Malevolence durch ihr Werk ziehen; geflochten aus Stillstand, Resignation und das sich selbst Aushändigen ins Unausweichliche. Nach der kritisch fragenden Veröffentlichung aus dem Jahr 2005 mit dem Titel "Tomorrow We'll Wonder Where This Generation Gets Its Priorities From", artikuliert man sich dieser Tage tatsächlich mit Worten. Das postrocksche Schweigen des Debüts wird durch den immer irgendwie im Abwesenden stehenden Gesang von Bassist Martin Lundmark gebrochen und es sind düstere Visionen, für die er hier Worte findet. Wie die Nicht-Örtlichkeit eines finsteren Utopia, scheint auch die Nicht-Vordergründigkeit dieses Gesangs das vorliegende Album zu prägen. Gerade dieses Unpräzise, Unperfekte an der Stimme Lundmarks gibt den Stücken ihre Stärke, auch wenn das sich antithetisch aus dem Momenthaften, Konkreten speisende "Anprangern von gesellschaftlichen Misständen" (aus dem Pressetext stolz in beinahe allen Rezensionen aufgenommen) vielleicht nicht das geschickteste Thema für eine solche Veröffentlichung zu sein scheint. Agitprop, wenn man ihn ernst nehmen soll, geht anders, das weiß man.

Die musikalische Interpretation dieser ins Unendliche potenzierten Tristesse versucht alle Register des Prätentiösen und Pompösen zu ziehen, die einer Gitarrenband zur Verfügung stehen. Und doch erscheint die aus den donnernden Crescendi mittels warmer Lap-Steel Gitarre und zierlichem Glockenspiel aufblitzende Melancholie geradezu wie ein zweischneidiger Hoffnungsschimmer aus dieser paralytischen Welt. "Trust and betrayal / there's a hope, a crude light / and alone at last / I succumb to all my fears / with eyes wide shut." (Exxon Valdez, betitelt nach dem 1989 eine der größten Umweltkatastrophen verursachenden Öltanker.) Gerade hier finden sich die besten Momente der Platte, hält man mit weit aufgerissenen Augen den Atem an. Die überwiegende Auswahl an Songideen weiß zu überzeugen, man bewegt sich in bekannten Gefilden; für die Band, als auch den Zuhörer. Sowohl die langsam anschwellenden Hymnen wie Moments, als auch die kurzen, innehaltenden Versatzstücke wie Brandskar sind vertreten und man weiß solide mit den Themen umzugehen. Bereits bei dem eröffnenden Stück Who Watches The Watchmen? (Eine Hommage an Alan Moore?) und dessen irgendwo aus dem Off kommenden Klavierklängen wird klar, dass man dieses Album laut hören muss, um dessen viele Perspektiven auf die allgegenwärtige Verzweiflung alle Ehre zu erweisen; Erst dann fühlt man sich so verloren wie im cartesischen Strudel, bei dem man weder an die Oberfläche noch auf den Grund zu reichen mag. Und das ist, so vermute ich, das adäquate Gefühl diesem Monster gegenüber.
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september malevolence
"after this darkness, there's a next"
a tender vision records 2008 cd
september malevolence