Lali Puna [Faking Tho Books]

Die aus dem Herzen der unbedeutenden oberbayerischen Kleinstadt mit Polizeischule stammenden Talente, sind in unterschiedlichsten musikalischen Projekten und Bands miteinander verwoben. Lali Puna ist eines davon und veröffentlicht der Tage ihr drittes Album.



"i'll be true again, but until then, i fake the books"
(faking tho books)


Weilheim. Die Provinz. Irgendwie habe ich mir Weilheim immer ein wenig wie unser Seattle vorgestellt. Nicht wie diese große Stadt an der Pazifikküste mit der Weltraumnadel als Überrest einer Weltausstellung und dem Rockmuseum. Und auch nicht mit dem gleichen popkulturellen, globalen Nachbeben auf die Grunge Bewegungen, sondern durch die musikalische Gemeinschaft die sich dort gänzlich unurbanisiert entwickeln konnte. The Notwist, Tied and Tickled, Trio, Console, Iso 68. Namedropping? Vielleicht. Lali Puna ist Teil dieser Gemeinde mit ihrer eigenen bittersüßen Art schöpferisch mit Gefühlen umzugehen und sie mit Instrumenten und Elektronik zu artikulieren. Valerie Trebeljahr, die zierliche, junge Frau, mit der wunderbar rauweichen Stimme, gründete die Band zunächst als Soloprojekt mit einem Vierspurgerät Ende der Neunzigerjahre, und entwickelte Lali Puna zu einem festen Bestandteil der erwähnten Szene. Mit Notwists Micha Acher, Tied & Tickled Trios Christoph Brandner und Christian Heiß von Contriva gestaltete sich Lali Puna über ihre ersten Veröffentlichungen vom pluckernden Indietronic zu einer rockenderen Liveband, die mit dem neusten Werk "Faking The Books" die Waage mit elektronischem Wabern und elektrischen Moll Akkorden tariert. Die elf Stücke entfalten allesamt eine zarte Schwermut, obwohl mit Micronomic, B-Movie und dem Titelstück der EP des letzten Sommers, Left Handed durchaus distorted auf die Gitarren tätowiert wurde. "Left Handed", so Sängerin Trebeljahr, "war auch richtungweisend für das neue Album". Live haben sich Lali Puna energischer präsentiert, als man es von den zurückhaltenden ersten beiden Veröffentlichungen gewöhnt war.

Was Lali Puna zweifellos eine Sonderstellung im elektronischen Popbereich einräumt, sind die meist politisch orientierten Texte, die dem Zuhörer aufgrund der vermeintlich verträumten Melodien sublimiert werden. Bereits bei dem Vorgängeralbum war es der Band wichtig die oft kritischen Texte mit abzudrucken. Was durchaus auch resolut geschrieen in einem Punksong seine funktionelle Berechtigung finden würde, umhüllt Trebeljahr klangvoll mit ihrer beseelten Stimme. In dem Stück Call 1-800-FEAR beschäftigt sie sich mit der Macht der instrumentalisierten Angst, und den Folgen einer bewusst geschürten Panik. „Fear keeps you quiet. It shuts your mouth when you should talk“: paranoid verschanzt man sich in seinem Panic Room, während andere die Macht an sich reißen.

They spend your money on mini-nukes. So you should talk.

Nicht zuletzt seit dem mit "Scary World Theory" nostradamisch vor dem 11.09.01 betitelten zweiten Album, konstatiert die Band eine kritische Weltanschauung. Mit dem bereits erwähnten Stück B-Movie diskutieren Lali Puna die medial vorangetriebene kalifornische Gouverneurswahl des Österreichers Schwarzenegger. „It’s like in a B-Movie, you always know what’s coming next. Bad guys all around. But don’t let Arnie be our last hope.” Und in Micronomic entleihen sie gar dem großen Softwarekonzern den Slogan, um ihn sinnentfremdet in einem eingängigen Chorus zu verarbeiten: „Where do you want to go today?“ Immer wieder fallen Lali Puna auf ihrem neuen Werk neben den lauteren, dennoch elektronisch orientierten Stücken, in die Ästhetik des traurigen Liedes, und fordern Aufmerksamkeit für das Detail. Besonders die opulenten, jedoch gar nicht pathetischen Streicher, die zum Ende des letzten Stückes Crawling by Numbers einsetzen und das Album ausklingen lassen, betören durch zarte Eleganz. Und Radiohead, dieses Statement musste auch hier kommen, sind Fans von Lali Puna. Namedropping? Vielleicht.
foto: john-patrick morarescu



lali puna
"faking the books"
morr music 2004 cd / lp
lali puna