Morgan Spurlock [Super Size Me]

McDonalds.
Es ist buchstäblich überall, außer vielleicht in den Ländern die mein Land zu hassen liebt – wie Kuba und Libyen etwa.


"ich liebe es!"
(deutscher mcdonald's werbeslogan seit 2003)

Denjenigen, denen bewusst ist, wie perfekt McDonald's korporative Globalisierung veranschaulicht, stimmt die Popolarität traurig. Eines der traurigsten Beispiel für mich ist, dass die finnische Stadt, in der ich als Austauschschüler studierte, stolz verkündet, das sie das weltweit nördlichst gelegene “Mickey D’s” beherbergt. Seit vier Jahren boykottier eich McDonalds; aufgrund seiner bereits erwähnten symbolhaften korporativen Globalisierung, seines rekordverdächtigen Anteilhabens an der Umweltverschmutzung und der Unterstützung industrieller Landwirtschaft und für seine schlechten Richtlinien für angemessene Arbeitsbedingungen. Bislang neigte ich jedoch dazu, die Idee von Ernährung und Gesundheitserziehung – und in diesem Zuge die schlechte Ernährung und das mangelhafte Gesundheitsbewusstsein, welches McDonald's fördert - politisch zu betrachten. Ich werde mir Morgan Spurlocks "Super-Size Me" in wenigen Stunden ansehen, und wir werden sehen, wohin dieser Film tendiert…

Diese Zeilen schrieb ich vor etwa eineinhalb Monaten, und meine Reaktionen dieser Dokumentation gegenüber haben sich über den Sommer entwickelt. Vielleicht erinnere ich mich nicht mehr an jedes Detail, aber ich erinnere mich an den überwiegenden Eindruck: gelähmt und betrogen von einem kapitalistischen Markt zu sein, basierend auf dem amerikanischen Wunsch nach Überfluss. Dies sind schließlich die Vereinigten Staaten, wo alles groß ist: unser Land, unsere Ausgaben, unsere Häuser, unsere Autos – und warum nicht auch unser Appetit? "Super Size Me" entstand aus Spurlocks Interesse an den Nachrichten über zwei beleibte Jugendliche, welche McDonalds mitverantwortlich für ihren schlechten Gesundheitszustand machten. Doch Spurlock setzte sich nicht direkt mit den Nachforschungen über die Richtigkeit der Argumente beider Parteien in der Anklage auseinander, sondern beschäftigte sich mit der Frage, inwiefern wir von dem, was wir beim Heranwachsen unweigerlich mit Glück und Zufriedenheit verbunden haben, unbewusst geschädigt wurden. Vieles davon entstammt McDonald's: das Happy Meal, Ronald McDonald's strahlendes Gesicht oder ein herzhafter Big Mäc. Spurlock tat das unvorstellbare: er beschloss zu dokumentieren, wie sein leicht untergewichtiger Körper im perfekten Gesundheitszustand auf eine 30 Tage anwährende Diät, basierend auf der McDonald's Produktpalette, reagieren würde. Und er tat dies mit ein paar Grundregeln: drei komplette Mahlzeiten am Tag, ausschließlich von McDonald's; wenn er zwischendurch etwas zu sich nehmen wollte, musste es McDonald's anbieten; und am Ende, musste er jedes McDonalds Produkt mindestens einmal gegessen haben.

Mit der Unterstützung von zwei Ärzten und einem Ernährungsberater, welche jedes mögliche Vitalzeichen und jeden Laborwert auswerteten, begab sich Spurlock auf eine niemals zuvor vollzogene Reise. Er rechnete dabei mit einigen grundlegenden Reaktionen seines Körpers wie Verdauungsstörungen in den ersten Tagen. Unerwarteter waren Übelkeit und Erbrechen, Phasen der Depression und typische Entzugserscheinungen, einige Stunden nach dem letzten McDonald's Gericht. Womit er überhaupt nicht rechnete war, dass seine Ärzte ihm nach 21 Tagen dringend rieten, seine McDonald's Diät auf der Stelle abzubrechen, aufgrund von enorm empor schnellenden Laborwerten und einer schockierenden Gewichtszunahme von über neun Kilogramm.

Einige wird dieser Film nur ein wenig empören, andere missachten wahrscheinlich sein Wagnis mit dem Gedanken, wer außer ihm schon drei Mahlzeiten pro Tag bei McDonald's zu sich nimmt. Der nachdenkliche Moment des Films liegt in der Verbindung zu weitaus größeren Problemen meiner amerikanischen Gesellschaft, als Spurlocks Mahlzeiten bei “Mickey D's”. Es herrscht definitiv eine Akzeptanz gegenüber der ernährungsbezogenen Maßlosigkeit vor - angeregt durch die Maxi Menü Option, entwickelt von McDonald's und später auf alle anderen Fast Food Ketten übertragen. Auch ein kurzer Vergleich mit nicht-amerikanischen Proportionen ist erstaunlich: große Getränke mit raffiniertem Zucker und leeren Kalorien sind im Vergleich dreimal größer als in anderen Ländern; die kleine Portion amerikanischer Pommes Frites ist einer nicht-amerikanischen großen Portion ebenbürtig. Die ungesunde Ernährungsweise etabliert sich schon viel früher: Bilder einer Grundschul Cafeteria mit Zehnjährigen, denen eine große Auswahl an Junkfood angeboten wird, und die beherzt Pizza, Chips und Kuchen jedwedem Gemüse, Früchten oder Getreide vorziehen. Und was werden wir tun, wenn dies in unserer jungen Entwicklung Qualität repräsentiert? Uns weiterhin für Junkfood entscheiden! Wenn wir von den Fast Food Ketten gefragt und ermutigt werden, unsere Menüs auf Maxi anschwellen zu lassen, können wir uns jederzeit dagegen entscheiden – aber wie groß ist die Versuchung? Der Primat des Autos in unserer Kultur hat Gehen und Radfahren weitestgehend als Fortbewegungsmittel abgeschafft; Mit Ausnahme einiger Einzelfälle. Und eben genau diese subtile Aussage versucht Spurlock zu vermitteln: wenn unser Appetit stetig wächst, und uns kontraproduktive Entscheidungsmöglichkeiten präsentiert werden, und das Ändern unserer immanenten Gewohnheiten fast unmöglich erscheint, ist Nachgeben die einfachste Möglichkeit.

Vielleicht ist es bezeichnend, dass dieser Film auch etwas an meinem Leben verändert hat. Ich kam zu der Überzeugung, dass sich nicht nur in meiner Gesellschaft etwas ändern musste, sondern auch in meinem Leben. Vielleicht ist mir dies insbesondere aufgefallen, da ich seit ich denken kann, eher übergewichtig bin. Menschen haben unterschiedliche Stoffwechseltätigkeiten, und verbrennen die eingenommenen Kohlehydrate unterschiedlich gut. Dies ändert jedoch nicht die Wichtigkeit von Spurlocks Grundaussage, dass etwas indoktriniertes in dem Ernährungsbewusstsein und im Lebensstil unserer Gesellschaft verändert werden muss. Obwohl ich mich meines Erachtens nach richtig Verhalte, hatte ich immer noch die Möglichkeit meine Lebensführung zu verbessern. Nach dem Film kam ich zu diesem Eindruck, und ich begann mir gesündere Lebensmittel zu kaufen – ich beseitigte Limonaden und viele Snacks, während ich die Menge an Obst und Gemüse vergrößerte, ich begann damit am Tag mehr als doppelt so viel zu gehen als ich es gewöhnt war und aß einfach weniger. Und es funktionierte – meine Stimmung hob sich, mein Blutdruck wurde gesenkt und ich habe mehr Energie als zu Beginn des Sommers.

Wie die häufig übergangenen Gewohnheiten der amerikanischen Kultur, welche Michael Moore in seinen Filmen vorstellt, präsentiert auch Morgan Spurlock ein schwankendes Problem, aber eines, welches nicht völlig hoffnungslos erscheint. Und als jemand, der Hoffnung in unsere Gesellschaft setzt, hoffe ich, dass jene Dinge, die eher zu einer Unkultur beitragen, uns nicht länger verwirren werden.
text: Colin Lee; aus dem Amerikanischen von Martin Boehnert
foto:
julie soefer


morgan spurlcok
"super size me"
2005