Olli Schulz Und Der Hund Marie [Kassel, 04.06.2004]

Ein Mann und sein Hund.
In der Zwischenwelt von Singer/Songwriter und Stand-Up Comedian.



"und bruce spielt wieder ohne e-street band."
(weil die zeit sich so beeilt)

Waldorf und Stadler sitzen seit jeher fest in ihrer roten Loge und machen es keinem der darbietenden Schauspieler auf der großen Muppetbühne leicht, sie angemessen zu unterhalten. Eine urbanere Analogie dieser beiden stets sarkastischen Handpuppen stand auf dem Olli Schulz und der Hund Marie Konzert direkt vor mir: ein langhaariger, dunkel bekleideter Freund des harten Gitarrenrock, und sein Koteletten bestückter Kompadre aus dem Rockabilly Lager mit Flammen auf dem Hemd und Fifties Grease Frisur.

Der Hamburger Olli Schulz reiste ohne Hund Marie an, da die beiden kein Auto besitzen, und so nur die Hälfte der Band als Beifahrer auf Tour gehen konnte. Olli Schulz tauchte letztes Jahr plötzlich, auf dem nicht mehr länger als Geheimtipp gehandelten Label Grand Hotel Van Cleef auf, und überraschte mit frischen Liedern über den Alltag und allem was man damit verbindet. Musiktechnische Versiertheit sollte man bei diesem jungen Herrn jedoch vergebens suchen, vielmehr weiß er zu erzählen. Zwischen den Liedern sprach er mit dem Publikum über seine Ansichten was das persönliche und öffentliche Zeitgeschehen betrifft, und freute sich ausdauernd über den Olli Schulz T-Shirt Träger in der ersten Reihe. So erklärte er, dass er sich als Jugendlicher einmal auf einem Tracy Chapman Konzert wieder fand, und dort aufgrund seiner lauten Äußerungen sowohl vom dortigen Publikum als auch von der Band aufgefordert wurde, diese zu unterlassen. Ganz jugendlicher Anarchist, entgegnete er gelassen: "Ich bin Punkrock. Ich kann machen was ich will."

Auch die Fans, besonders die, welche sich mit einem autoreifengroßen Piercing in der Brust als Hardcore betrachten, aber nichts mit den eigentlichen Wurzeln zu tun haben, verachtete Olli Schulz an diesem Abend gelassen. Nichtsdestotrotz sollte er sich am nächsten Tag auf dem von allen Medien angepriesenen Rock am Ring Festival, vor einer Vielzahl eben dieser Zuschauer behaupten. Eine zweifelhafte Ehre, die ihm aufgrund des Absagens der dänischen Band Kashmir zu Teil wurde. Er möchte gern etwas Provokatives auf der dortigen Bühne machen, gab er an, aber er würde sich am Ende doch nicht trauen seinen wunderbaren Reim „Rock am Ring, lutsch mein Ding“ ins Mikrofon zu brüllen. Schade. Es hätte dem gemäßigten Anarcho-Liedermacher gut gestanden. Dennoch gefiel es ihm sichtlich in seinen zum Programm gehörenden Anekdoten, Wortspielen und Lügengeschichten ("Und das ist alles gar nicht wahr.") vermeintliche Alternative Stars, welche die Medien mitsamt der Bezeichnung hervorgebracht haben, mit einem Lächeln zu diskutieren: Als peinlichste Darbietung stellte er so die Münchner Band Emil Bulls da, welche auf einem Festival nach ihm auftraten, und das johlende Publikum mit den Worten "Ihr werdet springen. Ich weiß, ich werdet springen!" begrüßten. In seiner Situation ist es ihm ein leichtes sich hinter solche Musikindustrie kritischen Äußerungen zu stellen, und er nutz diese sehr zum Gefallen des Publikums immer wieder aus. Da wird über die Berliner Mia. gespottet, welche auf einem Festival nach einer Antifa Demonstration die Bühne nicht betreten wollen, und über den intellektuellen Ex Black Flag Sänger Henry Rollins entschuldigend die Worte "Henry Rollins hat keinen dicken Hals, nur einen kleinen Kopf" gesungen. Während er sowohl Stücke seiner neuen EP "Unten mit dem König", welche er mehrfach anpries, jedoch nicht ohne Stolz hinzufügen musste, dass sie auf seiner Tour bereits ausverkauft ist, und Liedgut aus früheren Tagen seiner einjährigen Karriere darbot, lauschte ihm das Publikum hingebungsvoll und lachte immer wieder an den Stellen, die er dafür vorgesehen hatte, oder schwelgte in der akustischen Schwermut.

"Und wir werden nicht verbrennen in den Fehlern die wir kennen / Nein so wollten wir nie werden und so werden wir nie sein."

Olli Schulz ist gut darin, den schüchternen Jungen mit der Gitarre zu spielen, der ab und zu unbekümmert seine Gedanken zum Ausdruck bringt. Und so waren am Ende selbst Hardrock Waldorf und Rockabilly Stadler begeistert.
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