The Polyphonic Spree [Together We're Heavy]

"Does anybody get pissed off when you mention the Polyphonic Spree to anyone and the first words out of the mouths are 'oh isn't that a cult band or something'?"
"Yeah, but people are dicks."
(Auszug aus einem Polyphonic Spree Forum)


"she said goodnight to all the lights that made her seem to glow."
(one man show)


Es werden vermutlich, als lukrative, eher weltliche Mitbringsel, unzählige Ebay Angebote mit dubiosen und vermutlich wenig originellen Papst Bezügen anfallen, wenn sich der Rummel um den Weltjugendtag in Köln wieder gelegt haben wird. Aus aller Welt feiern tausende Jugendliche den - bereits als Poster in der Bravo erschienenen - gehypten Papst Benedict XVI. frenetisch, was schon ein kleines Kuriosum darstellt. Ohne Zweifel würden die Texaner Polyphonic Spree in den Reihen der auftretenden christlichen Bands zunächst kaum auffallen.

Ich muss gestehen, dass ich nicht umher kam, eine religiöse Diskussion im Zusammenhang mit diesem Pop Ensemble zu führen, auf die ich eigentlich verzichten wollte. Tim DeLaughter, der 38 jährige Kopf der Band legt es aber auch definitiv darauf an, sich in ein religiöses, sektenhaftes Umfeld einreihen zu lassen. Bereits im ersten Stück der im Herbst 2004 veröffentlichten Platte "Together We’re Heavy" - die gerade mit einigen Bonustracks und Videos wiederveröffentlicht wird – spricht er bereits eindringlich über Religion. "Until tomorrow,until tomorrow, the only voice was far away / Until tomorrow, the only sound was my mistake / Until tomorrow it’s all I can say / Take the time to find the world another way / I wanna be more than yesterday and somehow find a way to this new religion."

Dieses sich selbst angreifbar machen üben Polyphonic Spree par excellence aus, in all ihren visuellen und akustischen Metaphern, weisen jedoch jegliche christlichen oder anders gearteten religiösen Bezüge klar von der Hand. Es geht mehr um eine musikalische Spiritualität, um ein Gemeinschaftsgefühl, um Etwas, an das man Glaubt, erklärte DeLaughter letzten Herbst in einem Interview dem Intro. Eine zunächst etwas verwirrende Begründung, die er da abliefert, aber tatsächlich sieht er in der Musik eine gewisse, dem Geist der Religion ganz ähnliche Komponente. In obigem Zitat aus dem Stück A Long Day Continues / We Sound Amazed bezieht sich DeLaughter genau auf diese Spiritualität, die er in seiner Musik sieht, welche jedoch nichts mit Religion als Solche zu tun haben will. Als '99 DeLaughters ehemalige Band Tripping Days daran zerbricht, dass der Gitarrist und DeLaughters Freund Wes Berggren an einer Überdosis stirbt, macht er eine Art Läuterung durch. Schon ein Jahr später entwickelte sich aus der enthusiastischen Idee heraus, Popmusik mit atemberaubenden Symphonien und tragenden Chorelementen zu versetzen, das Musikerensemble Polyphonic Spree. Damals zunächst mit 15 Mitgliedern, im Gegensatz zur aktuellen Besetzung von 23 Musikerinnen und Musikern.

Wenn hinter all dieser großen Inszenierung tatsächlich keine glaubensbedingten, sondern eher the polyphonic spree profan weltliche, musikalische Absichten liegen, darf man sich natürlich fragen, weshalb dann so bewusst mit diesen Stilmitteln gespielt wird. Die Bilder, auf denen die Musiker, allen voran DeLaughter durch die Wüste ziehen, die Glaube, Liebe, Hoffnung Metaphern – selbst wenn Ersteres nur vor einem musikalischen Hintergrund zu betrachten sein soll - das stark frequentierte Verwenden von Begriffen wie Faith, Shame, be good oder Sunshine, all das sind Aspekte, die man unwillkürlich mit den strahlenden und doch bedrängten Gesichtern von Jüngern unzähliger mal mehr mal weniger glaubhafter religiöser Vereinigungen assoziiert. Es seien einfach Menschen die seine Liebe zu diesem Sound teilen, erklärt er, und dass Chorgesänge eine euphorische Stimmung bei jedem Teilnehmenden hinterlassen, kann niemand von der Hand weisen, der jemals freiwillig in einem Chor gesungen hat.

Tim DeLaughter war gerade drei Jahre alt, als sich in den Vereinigten Staaten der Sunshine Pop etablierte, Hair aufgeführt wurde und Stücke wie Aquarius von 5th Dimension populär waren. Die Kindheit prägt, und so verwundert es auch nicht, dass die, in bunten Talaren tanzenden Mitglieder der Polyphonic Spree auch an eben diese Happenings erinnern. Es geht ihnen jedoch nicht um eine tatsächliche Kopie dieser Musik, "vielmehr soll das Gefühl, diese unglaublich positive Stimmung übertragen werden", erklärt DeLaughter im Interview mit Kollege Simon Traut. Und, ist man ehrlich, sind die hier vermittelten Werte, selbst wenn man sie als naiv abtun möchte, ein erfrischendes Pendant zur aktuellen Aggro-Ego-Welle.

Wie auch immer man jedoch zu den vorangestellten Eindrücken steht, dieses Pop Orchester, das so kongenial und euphorisch Keyboards, Bass, Gitarre, Schlagzeug, Percussion, Pauken, Flöte, Trompete, Violine, Theremin, Cello und nicht zuletzt den zehnköpfigen Chor in die Popsongs integriert, weiß diese überzeugende Stimmung weiterzugeben, und sein Publikum mitzureisen. Diese bombastische und oppulente Inszenierung der Popsongs, jeweils arrangiert um DeLaughters Gesang, unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von anderen, ebenso fulminanten Stücken diverser Bands in der Geschichte der Rock und Popmusik. Die Beach Boys und die Beatles, später Queen und die High Llamas, bis hin zu dem diesjährigen Trial Of Dead Album "Worlds Apart", haben die Bands Choräle, Bläser und Streicher nur für bestimmte Stücke, oder Konzepte von einzelnen Alben als musikalisches Stilmittel verwandt. Bei Polyphonic Spree hingegen sind sie unabdingbarer Bestandteil der Band, der sich zu einer überaus beeindruckenden, homogenen Darbietung vereint. Nicht zuletzt aufgrund ihrer imposanten Live Auftritte konnten sie in kürzester Zeit Konzertbesucher wie David Bowie für sich begeistern. Dieser holte die Band – beeindruckt von deren Interpretation seines Stückes Five Years - in die Heimat des Hype nach Groß Britannien zu seinem Meltdown Festival in London.

Die 23 Musikerinnen und Musiker spielen waghalsig mit musicalhaften Elementen, bedienen sich der Energie von Gospelchören und wissen es Spannungsbögen und Melodien zu einer einzigartigen Verbindung zu vervollkommnen. Was den Polyphonic Spree mit ihrem zweiten Album gelungen ist – ihr Debut "The Beginning Stages Of" wurde in Deutschland mit großer Verspätung veröffentlicht –, ist nicht weniger als ein imposantes, orchestral perfekt arrangiertes Popalbum, was nicht zuletzt durch das kreative zum Einsatzkommen eher Genre fremder Instrumente und den Akzente setzenden Chor besticht.
foto: sarahphotogirl



the polyphonic spree
"together we're heavy"
good records 2005 cd
the polyphonic spree