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Woog Riots [Interview: "Ein bisschen Frieden"]

Wie subversiv sind Irokesen? Warum lachen Amerikaner über Elefanten? Und warum kann man mit Nicoles „Ein bisschen Frieden“ keine Revolte mehr starten? Die Woog Riots haben sich für uns die Zeit genommen, um diese und andere Fragen zu beantworten. Mehr nach dem Klick!


"once i made a record / i did it for you all"
(woog riots)


Der Akt der juvenilen Verweigerung gegenüber dem – nicht immer im Einklang mit dem eigenem Weltbild befindlichen – Kodex der Elterngeneration wird zugegebenermaßen immer schwieriger. Selbst Irokesen verlieren ihren Reiz in einer dezidiert heterogenen Gesellschaft. Womit soll man noch schocken, wenn selbst der Schock ins Nachmittagsprogramm überführt wurde? Gestern erst wieder einen tapezierten Bankier mit mittellangen Haaren gesehen. Endlich, will man da sagen! Doch: gegen was und womit soll man nur rebellieren, wenn selbst Frisuren keinen subversiven Charakter vermitteln können? Geschlechterdispositionen? Anbiederung? Niedlichkeit? Nichts? Bitte kreuzen Sie an!

Die Formelhaftigkeit der Rebellion tragen Silvana Battisti-Rudow und Marc Herbert alias Woog Riots bereits im Namen und mag man den vielen Rezensenten ihres aktuellen Albums PASP vertrauen, so scheinen sie auch eine aktive, kritische Ader für sich gepachtet zu haben. Das will man gerne glauben, denn hinter PASP (People, Animals, Society, Places) verbergen sich wahrlich unumgängliche kritische Positionen, die es erst einmal aufzuzeigen gilt. Der Song „People Working With Computers“ ist in etwa eine stoische Allegorie auf den Fabrikarbeiter, der seinen Blaumann gegen eine Tastatur eingetauscht hat; ein anderes Beispiel ist „Paul McCartney“ – ein Abgesang auf den Patriotismus. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Und sie fortzusetzen würde bedeuten den eigentlichen Akteuren hinter den Texten nicht gerecht zu werden. Denn die Woog Riots sind weit mehr als bloße Problemaufzeiger und weit mehr als systemkritischer DIY-Riot-Pop. Silvana Battisti-Rudow und Marc Herbert haben sich ihr eigenes Referenzsystem geschaffen, in dem es vor allem um gleichberechtigte Bereiche geht. Da steht Kritik neben Komik neben Authentizität und der eigenen musikalischen Sozialisation. Ständig blinzelt es von der Bühne, ständig wird versucht einen ebenen Raum zwischen Künstler und Publikum zu schaffen, ja die Grenzen aufzuweichen. Um diese Bereiche geht es auch in unserem Interview, dass wir mit den Woog Riots geführt haben.

Live

Ihr ward vor kurzem für ein paar Gigs auf der Insel. Im Prinzip war das ja nicht euer erster Ausflug in das vereinigte Königreich. Wie werdet ihr in England aufgenommen?
Woog Riots: Das war unsere dritte Woog Riots Tour durch UK, abgesehen von ein paar vereinzelten Konzerten, die wir zuvor bereits in London hatten. Gerade die letzte Tour wurde sehr euphorisch vom Publikum aufgenommen. Die „Crowds“ waren nicht riesig, was aber eher daran lag, dass wir die Tour über Freunde und befreundete Bands organisiert hatten, ohne große PR Unterstützung.

Gibt es Unterschiede zwischen dem deutschen und dem englischen Publikum?
WG: Die „native speaker“ freuen sich über die Texte und wir werden ganz oft nach den Konzerten begeistert angesprochen. Da kommen Doppeldeutigkeiten zutage, die uns selbst noch gar nicht aufgefallen sind. So geschehen auf unserer diesjährigen USA-Tournee, wo der Song „Elephants & Mirrors“ wegen der Textzeile „my trunk is so long“ besonders gut ankam. Im UK hat die Popkultur einen viel größeren Stellenwert als bei uns. Da kann man noch mit der Oma des Veranstalters über z.B. The Smiths fachsimpeln.

Wenn man euch live erlebt, kommt man nicht um den Begriff der Intimität umhin. Ihr erzählt persönliche Anekdoten, verteilt Instrumente und sucht den Kontakt zum Publikum. Dass allerdings ganz unkonventionell und unprätentiös – was durchaus als Kompliment aufzufassen ist. Das Ganze mutet auch oft wie ein Versuch an, die Grenzen zwischen Publikum und Künstler aufzuheben. Den Raum, sozusagen in einen ebenen zu verwandeln, in dem die Größenunterschiede nur noch anatomischer und nicht mehr künstlicher Natur sind. Ist das ein bewusster Akt?
WG: Es ist ein bewusster Akt, da wir uns nicht mit gespielter Coolness über unser Publikum stellen möchten. Je mehr Publikum vorhanden, desto schwieriger wird das dann allerdings. Das Publikum soll teilhaben an dem, was auf der Bühne geschieht. Das finden wir auch gut, wenn wir selbst im Publikum stehen, da wir sehr oft auf Konzerte anderer Künstler gehen. Da wird das Rock’n’Roll Schema schnell mal langweilig. Am liebsten ist es uns natürlich, wenn wir es schaffen, dass alle tanzen.

Wie wichtig ist euch Authentizität auf der Bühne? Oder anders gefragt: was versteht ihr unter Authentizität?
WG: Die eigene Ausstrahlung ist wichtig. Was nützt ein aufgesetztes Hochglanz-Image, wenn es nicht zu unseren kritischen Texten passt. Wir verstehen uns in gewisser weise ja auch als politisch. Manchmal sind wir allerdings schon hin- und hergerissen und überlegen, ob wir mal so auftreten sollten wie Kraftwerk oder Who Made Who. Wir hatten bereits ein Arbeitsgespräch mit einer befreundeten Theater-Regisseurin und da kam genau diese Frage auf, wie authentisch wir sein möchten. Schafft man eine Kunstfigur geht der enge Kontakt zum Publikum verloren. Da spricht dich keiner mehr an nach dem Konzert, das wäre dann auch schade.

Wie wichtig ist euch der Dialog mit dem Publikum?
WG: Nach dem Konzert unterhalten wir uns sehr gerne und sind offen für Fragen und Gespräche. Während des Konzerts animieren wir, mit uns in musikalischen oder tänzerischen Dialog zu treten. Der Dialog mit dem Publikum ist uns also sehr wichtig.

PASP

Auf eurem aktuellen Album PASP nehmt ihr vielfach Stellung zu zeitgeschichtlichen oder prekären Fragen. Das allerdings in einer ziemlich ungewöhnlichen Art und Weise. Manchmal werden Geschichten erzählt. Manchmal verhandelt ihr ziemlich hintersinnig alltägliche Probleme und stellt diese in einen ungewöhnlichen Kontext. Und des Öfteren erhält der Text häufig durch die musikalische Umsetzung eine durchaus ironische Brechung. In „People Working With Computers“ oder „Backstage Lemonade“ kann man das beispielsweise sehr schön nachhören. Habt ihr solche Interpretationsansätze im Kopf, wenn ihr an den Songs arbeitet?
WG: Wir mögen es, in unseren Songs, Position zu beziehen. So werden Themen und Sichtweisen vorgegeben, wobei noch Raum für weitere Interpretationen bleiben soll. In „Backstage Lemonade“ beschreiben wir Rollenerwartungen an Mütter und wie diese angeblich nicht mit einem Leben als Künstlerin zu verbinden sind. Im catchy Refrain singen wir dann aber nur über die Limonade, die Backstage zusammen mit der Mutter getrunken wird.

Wie entstand eigentlich die Idee euer aktuelles Album in die vier Kernbereiche People, Animals, Society und Places einzuteilen bzw. was bezweckt ihr damit?
WG: Die Kernbereiche haben sich beim Schreiben der ersten Songs bereits herauskristallisiert. Es gab Stücke über Menschen, Tiere und Orte. Die Idee daraus ein Konzept zu machen entstand also in der ganz frühen Entwicklung des Albums. Dank des roten Fadens, kann man die Platte als Gesamtwerk sehen. Wer PASP verstehen will, braucht mehr als nur einzelne Downloads der besten Songs.

Wie erarbeitet ihr euch eure Texte?
WG: Zuerst gibt es Akkordfolgen, die mit Blindtext zu Melodien zusammen gefügt werden. Der Blindtext besteht aus Fantasie-Englisch und hat schon den passenden Flow zum Groove. Im nächsten Schritt wird der Blindtext mit Worten gefüllt. Die Themen ergeben sich aus alltäglichen Erfahrungen, Beobachtungen und Gesprächen zwischen uns. Wir schreiben die Texte dann tatsächlich im Zwiegespräch.

Welchen Stellenwert hat Komik bei den Woog Riots?
WG: Wir sind humorvolle Menschen. Daher tragen wir ernste Themen auch gerne mit einem Augenzwinkern vor. Reines Lamentieren und Anklagen ist nicht unser Ding.

Musikalische Sozialisation

Wo würdet ihr eure Wurzeln verorten? Was sind eure Einflüsse?
WG: Da gibt es vielfältige Wurzeln und Einflüsse. Vom musikalischen Pop und Underground der Sechziger bis hin zur Gegenwart. Beeindruckt sind wir von der Gegenkultur der 60er Jahre als Kunst, Literatur, Komik und Musik mehr miteinander verwoben waren. Beim Punk gab es zum ersten Mal die Ermächtigung Musik mit einem Do-It-Yourself Ansatz zu machen. Die Bandvorbilder reichen von Velvet Underground, Television Personalites bis zu LCD Soundsystem und Hot Chip.

Ich würde gern noch ein wenig bei eurer musikalischen Sozialisation verweilen. Unter anderem habt ihr 2004 eine eigens initiierte Compilation in die Wege geleitet und herausgebracht auf der ihr The Fall und im Speziellen Mark E. Smith huldigt („Perverted by Mark E“). Ein Blick in das Booklet und auf die Riege der vertretenen Künstler (u.a. Barabra Manning, Jeffrey Lewis, Rockformation Diskokugel, Preston School of Industry und Tocotronic) lässt erahnen, dass ihr in dieses Projekt eine Menge Herzblut und Zeit investiert habt. Was ist das Besondere an The Fall?
WG: Wir haben schon seit den 80ern The Fall gehört und waren fasziniert von Mark E. Smith. Die Radikalität seines nöligen Sprechgesangs, die permanente Repetition in Text und Musik, das Offensein für diverse Stilmittel wie z.B. Elektronika und Danceelemente ist wohl einzigartig. Die Idee zum Sampler kam nach einer Woog Riots Probe zustande. Wir stellten damals fest, dass wir schon einige Songs von befreundeten Bands über The Fall kannten. Zusammen mit unserem damaligen Bassisten Mathias Hill (Rockformation Diskokugel) haben wir dann alle möglichen Bands angeschrieben und um Songs über oder Coverversionen von The Fall gebeten. So kam dann schnell eine Doppel-CD zusammen.

Eure Zuneigung zum New Yorker Anti-Folk lässt sich nicht verheimlichen. Für den Song „Backstage Lemonade“ konntet ihr sogar Kimya Dawson gewinnen. Wie kam zu dieser Kooperation?
WG: Die Zuordnung zum New Yorker Antifolk ist eigentlich nie beabsichtigt gewesen. Wir mögen Moldy Peaches, weil die Art und Weise, wie der Gesang zwischen Kimya Dawson und Adam Green aufgeteilt wurde, uns sehr gut gefiel. Das interessanteste an der Antifolk-Szene ist das „Networking“. Man tauscht sich aus, geht gegenseitig auf Konzerte und hilft beim Buchen von Konzerten. Als Kimya auf Deutschland-Tournee war, hat sie einen „childsafe“ Übernachtungsplatz gesucht. Silvana hatte angeboten, dass sie bei ihr übernachten könne, da sie selbst Kinder hat. Der Song „Backstage Lemonade“ hat Kimya gleich gefallen, sie kannte die Problematik aus eigener Erfahrung. Wir haben ihre Vocals dann direkt nach dem Frühstück aufgenommen.

Mit wem aus der New Yorker Anti-Folk-Riege würdet ihr sonst noch gerne eine Kooperation eingehen?
WG: Am ehesten noch mit Beck, weil er es geschafft hat, klassisches Songwriting mit Dance- und Elektro-Elementen zu verbinden. Adam Green haben wir ja bereits auf unserer ersten Single mit „Friends of Mine“ gecovert.

In einem Interview soll Jonathan Richman mal gesagt haben: „Es gab in den Siebzigern keine größere Provokation, als nett zu sein!“ Etwas Ähnliches hat Intro-Redakteur Benjamin Walter über euch gesagt. Auf der einen Seite, beschreibt er einige eurer Songs vom Inhalt her als gesellschaftskritisch und auf der anderen Seite lobt er, dass man euch vordergründig auch einfach nur charmant finden kann. Liegt gerade in der Niedlichkeit ein Akt der Rebellion?
WG: Uns hat die Zuschreibung „Niedlichkeit“ eher geschadet. Wir hatten den Eindruck, dass wir in Deutschland dadurch weniger ernst genommen wurden und der Hörerkreis begrenzt blieb. In den Siebzigern mag das vielleicht noch provokant gewesen sein, aber seit Nicoles „Ein bisschen Frieden“ kann man damit auch keine Riots mehr starten.

Vielleicht verbirgt sich hinter dieser „Niedlichkeit“ auch eine sehr subversive Art der Kritik. Da kommt zum Beispiel so ein Song wie „People Working With Computers“, der unheimlich rhythmisch und tanzbar ist. Vom Text her wirkt er jedoch fast stoisch und beschreibt den modernen Fabrikarbeiter, der seinen Blaumann gegen eine Tastatur eingetauscht hat. Doch auch dieses Konzept geht auf, denn die Vortragsweise passt sich vielmehr dem Inhalt an. Wie schwierig ist es direkte Kritik zu üben?
WG: „Autobahn“ von Kraftwerk wurde nie als niedlich bezeichnet, obwohl der Text sehr einfach und eingängig war. So gesehen finden wir den Begriff „stoisch“ passender. „Click, Click, Click“, der Refrain von „People Working with Computers“ ist sehr einprägsam und funktioniert mittlerweile unter Fans wie ein Code. Gleichzeitig beschreibt „Click, Click, Click“ aber tatsächlich auch die Monotonie an vielen Bildschirmarbeitsplätzen. Also liegst Du ganz richtig mit Deiner Vermutung, dass wir eher subversive Kritik üben wollten, als falsch verstandene Niedlichkeit zu vermitteln. Direkte Kritik klingt dann eher nach Polit-Barde oder Deutsch-Punk, das ist uns zu wenig Pop. Direkte Kritik nach Art der Goldenen Zitronen finden wir allerdings sehr gut.

Noch eine Frage zum Schluss: Wann wird man wieder ein neues Album von den Woog Riots erwarten können?
WG: Im Herbst 2010 soll unser neues Album „Futurology“ erscheinen. Natürlich auch wieder ein Konzeptalbum ...

Danke für das Interview!
fotos: per schorn



woog riots
"pasp"
what's so funny about / indigo, 2008 CD
woog riots zuhause







woog riots
"strangelove tv"
what's so funny about / indigo, 2006 CD

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