The Polyphonic Spree

Wenige Bands geben so viele Rätsel auf wie The Polyphonic Spree. Tim DeLaugther, Gründer und Mastermind dieser imposanten Gruppe, kämpft mit manchen Vorurteilen, doch auch für ihn scheint nicht alles zu 100% geklärt zu sein.


"don't get me wrong, i'm not a treehugger!"
(tim delaughter)


Eigentlich lässt sich von dem Namen eines Menschen nur sehr wenig auf dessen Wesen schließen. Der Name ist nicht mehr als eine Hülle, die auch in ihrer Ästhetik häufig völlig losgelöst vom Charakter der Person ist. Doch bei Tim DeLaughter ist dies anders. Er macht seinem Namen alle Ehre und strahlt eine grundständige Freude aus, seine Herzlichkeit ist umwerfend. Er verkörpert auf den ersten Blick genau die Klischees, mit denen The Polyphonic Spree, sein Projekt, zu kämpfen hat: Eine sektenähnliche Gruppe texanischer Hippies, die ihre Botschaft einer, als anbetungswürdiges Objekt geehrten Sonne, mit Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung und Musical-Einlagen a là Hair verbinden. Interessanterweise führt er sämtliche Interviews gemeinsam mit seiner Frau durch, die bei The Polyphonic Spree als Teil des Chores fungiert. Also ein Guru-Ehepaar, das einige Jünger um sich geschart hat, um die Welt zu bekehren?

Da werden schnell mal ein paar faszinierend klingende Erklärungen für ein Projekt angeführt, dass nicht so einfach in ein gängiges Muster gepresst werden kann. Die Wirklichkeit ist viel banaler. Ich bin nun mal der Initiator, The Polyphonic Spree ist so etwas wie mein Kind. Ich schreibe die Songs und die Texte, da ist es selbstverständlich, dass ich der bestimmende Faktor bin, im klassischen Bandkontext ist das ja häufig auch nicht anders.

Doch wo liegt eigentlich der Ursprung dieser Band, die sich zu einem 23-28köpfigen und orchestral anmutenden Gebilde entwickelt hat? „Ich hatte die Idee bereits vor vielen Jahren, als ich noch in Trippin’ Daisy meinen kreativen Output kanalisieren konnte. Sie schien dabei noch unglaublich weit weg zu sein, es war nicht mehr als ein Gedanke, der erst in vielen Jahren umgesetzt werden wollte. Nach dem tragischen Ende von Trippin Daisy fiel ich in ein unglaublich tiefes Loch. Umso stärker wurde der Drang, etwas Positives zu schaffen, ich wollte Hoffnung in einer für mich sehr düsteren Gedankenwelt. Der Anstoß dazu kam aber von außen, ohne mein Wissen wurden The Polyphonic Spree als Support für eine Grandaddy-Show engagiert, obwohl die Band noch gar nicht existierte. Also mussten innerhalb von zwei Wochen eine Band und ein paar Songs auf die Beine gestellt werden.

In den laufenden Jahren änderte sich die Besetzung immer wieder, die Zahl der Mitglieder stieg konstant an. Mittlerweile sind neben der bewährten Bandinstrumentierung ein Chor mit acht und mehr SängerInnen sowie klassische Orchesterinstrumente wie Blechbläser, Violine und Harfe Teil des Ganzen. „Die Zusammensetzung der Gruppe hat sich in der letzten Zeit aber mehr und mehr gefestigt. Seit der Gründung gab es verschiedene Wechsel, da die Band sich lange in einer Positionierungsphase befand, niemand wusste, wie sich die Sache entwickeln würde.“ Musikalisch war die Zielsetzung jedoch von Anfang an klar. „Natürlich ist gerade dieser Sunshine-Sound a là 5th Dimension ein sehr wichtiger Bezugspunkt, es ist ein bisschen wie eine Reise zurück in meine Kindheit. Der Grundgedanke von The Polyphonic Spree basiert auf dem Wunsch, Musik in diesem Stil zu machen. Aber ich bin kein ausgebildeter Musiker, sondern ein einfacher Songwriter. Gemeinsam mit der Band arrangiere ich dann die Songs. Dabei versuchen wir nicht, die Musik der damaligen Zeit nach formellen Kriterien möglichst genau nachzuahmen. Vielmehr soll das Gefühl, diese unglaublich positive Stimmung übertragen werden.

Gerade diese positive Grundstimmung schlägt sich textlich in starken Bezügen zur Natur wieder. Insbesondere die Sonne wird in diversen Stücken besungen, ihr fällt quasi die Rolle als heilsbringendes Element zu, „Hey, it’s the sun and it makes me shine“ (It’s The Sun, aus dem Vorgänger Album zum aktuellen "Together We're Heavy"). Tim DeLaughter möchte dies jedoch nicht wörtlich verstanden wissen: „Don’t get me wrong, I’m not a treehugger! Aber die Natur ist nun mal der einzige Lebensaspekt, der durchgehend positiv besetzt ist. Gerade die Sonne steht für so viele wunderbare Dinge, sie ist ein unglaublich starkes Symbol. Wir beten sie nicht an, aber sie ist unheimlich wichtig, da sie einen großen Einfluss auf uns Menschen hat.

Bei solch einer klaren Aussage lässt sich ein gewisser spiritueller Touch nicht mehr leugnen. Gerade weil The Polyphonic Spree nach außen hin durch ihre Roben und die Bühnenshow als eine Einheit auftreten, erwecken sie unwillkürlich den Eindruck einer religiösen Gemeinschaft. Da mag es so gar nicht hineinpassen, dass Tim DeLaughter scheinbar kein allzu ausdifferenziertes religiöses Weltbild hat: „Ich bin zwar kein Christ, aber dennoch ein sehr spiritueller Mensch. Ich glaube, dass es eine höhere Macht gibt, die in welcher Form auch immer Einfluss auf die Welt ausübt. Vielleicht steckt diese Macht auch in uns und in der Natur, ich weiß es nicht. Ich bin mir nur sicher, dass es etwas gibt, das über unsere Wahrnehmung hinausgeht, was wir mit unserem Denken nicht richtig fassen können.

Wichtiger als ein religiös-spiritueller Konsens ist innerhalb der Band der Wunsch nach dem gemeinsamen Erleben: „Wir haben innerhalb der Band ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl aufgebaut. Zusammen wollen wir Musik machen, die uns Hoffnung gibt und unsere Herzen erwärmt.“ Vielleicht liegt auch gerade darin der Grund für den Erfolg von The Polyphonic Spree. In einer von vielen als kalt und einsam empfundenen Zeit bauen sie Luftschlösser, in denen man zwar nicht wohnen kann, die aber wenigstens einen Silberstreifen am Horizont erkennen lassen.
foto: polyphonicspree


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