Bright Eyes [I'm Wide Awake It's Morning]

Seeing the world through Bright Eyes.
Conor Oberst gelingt es aufs Neue, bare Emotionen sarkastisch wortgewandt in eine akustisch arrangierte Melange aus Country und Folk Inspirationen zu kleiden, und doch unnachahmlich Bright Eyes zu bleiben.


"but i'd rather be working for a paycheck than waiting to win the lottery."
(first day of my life)

Auf einem Foto des französischen Künstlers Jean Guichard betrachtet man einen einsamen Leuchtturmwächter auf seinem Gebäude, während im Hintergrund die Brandung einer enorm desaströsen Welle über den vermeintlich kleinen Turm niederzuschlagen droht. Diese aufwühlende Schönheit, dieses Ästhetisieren des einen Augenblicks kurz bevor die Verzweiflung unausweichlich hereinbrechen wird, wohnt metaphorisch vielen Stücken der letzten Bright Eyes Alben inne, die wir von solch vortrefflichen Alben, wie dem 2002 erschienenen „Lifted, Or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Ground“ verinnerlicht haben. Dieses paradoxe Verbinden von ganz persönlichen Situationen, mit denen Conor Oberst universelle Themen zu erzählen versteht.

Das amerikanische Magazin filter beschreibt Conor Obersts neue Platte „I’m Wide Awake, It's Morning“ als, nicht nur sein bestes Album überhaupt, sondern als eine der wichtigsten Folk Veröffentlichungen aller Zeiten. Man schreibt ihm genügend Talent zu, dass er eines Tages Stücke schreiben wird, welche die bewegende Melancholie von Elliott Smith mit der lyrischen Eloquenz von Leonard Cohen und der melodischen Sensibilität eines Paul Simon vereinen wird. Superlative, die sich in den mangaesk großen, dunklen Augen des Wunderkinds bittersüß im Spannungsfeld zwischen Pein, Alkohol und neu entdeckter Reife widerspiegeln. Nicht nur in seiner musikalischen Genialität wird Conor Oberst hervorgehoben, spätestens seit der sich gegen die Bush Administration gewendete Vote For Change Stadion Tour, gemeinsam mit John Fogerty, Bruce Springsteen und Michael Stipe haben ihm ein mediales Interesse beschert, welches schwerverdaulich in seinem Magen liegen dürfte. Eine neue Art von Repräsentation ist ihm aufgetragen worden, die sich in einem politischen Feld zu bewegen scheint. "It’s kind of preachy", begründet er, weshalb in seinen Texten keine politischen Bezüge auftreten, obgleich er offensichtlich ein politisches Interesse hegt. "Ich bin kein Politiker. Mich beeinflusst Politik auf einer Gefühlsebene. Inwiefern Politik die Welt verändert; zum Guten oder zum Schlechten. These days it’s for the worse." Dennoch schreibt er beobachtende Texte wie im Old Soul Song, in dem er Bezug auf den im August 2004 in New York stattgefundene Parteitag der Republikaner nimmt, einer Veranstaltung, welcher von den liberalen New Yorkern wie ein persönlicher Angriff betrachtet wurde. "You walk the forty blocks to the middle / Of the place we heard where everything would be / And there was barracades to keep us off the street / But the crowd kept pushing forward / Until they swallowed the police / Yeah, they went wild."

Geradezu überraschend selbstsicher erscheinen hierbei die Schritte, die Oberst fernab von Nebraska, seiner, und der Heimat seines Labels Saddle Creek, durch die Straßen von New York setzt. Seit dem letzten Jahr seine neue Heimatstadt, welche, wie er selbst sagt, unweigerlich auf einen jeden Bewohner Einfluss nimmt. Und so hat eine gewisse beschwichtigende Harmonie Einzug in den Stücken von Bright Eyes gehalten. "I’m Wide Awake, It's Morning" hat dieses wundersame Leuchten in den von Country dreiviertel Takt, und folkloristischen Gitarren inspirierten, mal spärlich instrumentierten, mal wie zu den Live Konzerten in kleinstadtgroßer Bandbegleitung arrangierten Stücken. Nicht zuletzt ist ersteres Merkmal auf die wunderbaren Kollaborationen mit der Grand Dame des Folk, Emmylou Harris zurückzuführen, welche in den Duetten Obersts oft desperate Stimme mit einem flüchtigen Charme zu feminieren weiß. "Why are you scared to dream of God, when it’s salvation that you want." drängt er in der Ballade We Are Nowhere And It’s Now, einem von Steelgitarre und Schlagzeug spärlich getragenem Kleinod, bevor er gemeinsam mit Emmylou in den Refrain entsteigt.

Lua, die an eine akustische Gitarre geklammerte, balladeske Komposition über Drogen und Liebe, welche Ende letzten Jahres als Single bereits in diversen US Charts notiert wurde, fügt sich bedingungslos in das Gesamtbild des Albums ein. Eine kongruente Homogenität versetzt mit Slidegitarren und Bläsern, im Spiegel von Krieg, Politik, Seelenqual, Gemeinschaft und zeitlosem Talent. Homogenität, nicht zu verwechseln mit Einfallslosigkeit, schließlich ist quot;Awake" nur die eine Hälfte der, wie der Pressetext verlauten lässt, als Tandem funktionierenden Doppelveröffentlichung von Bright Eyes

Betrachtet man die Stücke des Albums als sehr frühe Morgenstunden, als das Zwielicht, welches sich zwischen den Häuserblocks abzeichnet, so erscheint Road To Joy, dieses eruptive, Up-Tempo Stück am Ende der Platte, als das tatsächliche Erstrahlen des Sonnenlichtes am betitelten Morgen. Zierte die Vorab Single Lua noch ein im Mondlicht anmutendes Szenario eines typisch ameri-kanisch Wohngebäudes, wie man es aus Zwischenspielen von Seifenopern der achtziger Jahre zu kennen meint, so scheint die gleiche wunderschöne Stoffcollage auf dem Albumcover bei strahlendem Morgenlicht, wie geschaffen für eben dieses letzte Stück des Albums. Die Ode an die Freude – der Titel schon ein phonetisches Wortspiel zur Ode To Joy – scheint hier als Maxime verarbeitet zu sein, wird ein ihr entliehenes Thema doch hier über den Rhythmus einer akustischen Gitarre gespielt, bis sich das Stück, dem Morgenlicht analog ausbreitet, und mit einem "Let's fuck it up boys, make some noise!" dem chaotisch strahlenden Schlusspunkt nähert. Eine Kakophonie im Imperativ. Schließlich ist dieses Stück auch der heimliche Titelsong der Platte, weiß Oberst doch hier den Albumtitel geschickt einzubinden; "The sun came up with no conclusions / Flowers sleeping in their beds / The city's cemetery's humming / I'm wide awake, it's morning."
foto: saddle creek


bright eyes
"i'm wide awake it's morning"
saddle creek 2005 cd
bright eyes