...Trail Of Dead [Worlds Apart]

Das Ästhetisieren der Destruktivität.
Die Kunst vor die Zerstörung gesetzt, besprechen Trail Of Dead, ohne jede Bescheidenheit, die Geschichte menschlicher Konflikte in einer ganz persönlichen Abhandlung des Rock 'n' Roll.


"what's the future of rock 'n' roll? I say, i don't knwo, does it matter?"
(world's apart)

Die wuchtige Tom des Schlagzeugs rollt dumpf polternd über die Balus-trade, Gitarrenhals und Korpus werden nur noch durch einige Saiten miteinander verbunden. … And You Will Know Us By The Trail Of Dead. Kaum eine andere Band bindet die vernichtende Ästhetik eines Rockkonzertes so sehr in ihr Spiel ein, und bewegt sich inhaltlich eloquent auf so hohem intellektuellem Niveau, wie diese Band aus Austin, Texas. „Ich hatte nie den Vorsatz, etwas zu zerstören. Es geht mehr darum, Dinge zu reparieren. Die Punks hatten seinerzeit das Ziel, die Rockmusik zu zerstören, und wenn ihr mich fragt: Das ist ihnen gut gelungen, wie man jeden Tag im Radio hören kann“, erklärt Conrad Keely, Sänger und Gitarrist der Band, mit gesundem alltags Zynismus. Man muss also erst alles zerstören, um neues zu erschaffen, scheint der Ansatz hinter der romantisierten Destruktivität zu sein.

Mit ihrem vierten Album, „Worlds Apart“ präsentieren Trail Of Dead das, was sie aus unterschiedlichsten genreeigenen Einflüssen, als ihr eigenes Verständnis von Rock 'n' Roll destilliert haben, in einer Zeit, in welcher regelmäßig empor sprießende junge Bands die Last aufgebürdet bekommen, eben diesen zu retten. In einer Zeit, in welcher die Phrase „Rock Is Dead“ an den Wänden prangt, und ein immer uninspirierteres, den ursprünglichen Belangen wie Leidenschaft, Aufbegehren und Kontroverse beraubtes, stets durchschaubares Relikt zu beschreiben vermag. „Have you forgot just what you are?“, fragt Keely einen imaginierten Brian Wilson in Will You You Smile Again, und spricht damit eben diesen Werteverlust an. „If you don’t want to, then you could at least pretend / That the paper’s your soul and your blood’s in the pen.

Seit ihrer Gründung im Jahr '94 strickt die Band an eigenen Mythen und Anekdoten, bei denen sie nur zu gern beobachten, wie in den Gazetten darüber berichterstattet und diskutiert wird. Das, kurz vor dem Albumrelease veröffentlichte Essay Keelys, mit dem Titel „Death of the Enlightend Amateur – A Brief Summary of Key Developments in Western Music“, in welchem er auf die unzertrennliche Verbundenheit von technischem und musikalischem Fortschritt von der Antike bis heute eingeht, und in dessen Ausführungen er als Fazit die moderne, auf Konsum, und damit von der eigenständigen, praktischen Musikalität des aufgeklärten Amateurs fortbewegten Entwicklung zielt, anprangert, bewegt sich ebenfalls auf dem schmalen Grad zwischen ernsthafter Aufklärung und intellektueller Farce. „Für mich ist Ehrlichkeit wichtiger als Wahrheit." Mit dieser Aussage begibt sich Keely ohne Zweifel auf philosophisches Terrain, einem Thema, welches man im rockmusikalischen Zusammenhang eher selten suggeriert bekommt.

Durch ihr 2002er Album „Source Tags & Codes“ ist man bereits von dem opulent arrangierten und dennoch energetisch auf den Punkt gebrachten Songwriting der Band begeistert. Dieses unerhörte Talent, Energie zu kanalisieren, beweisen die drei Herren mit „Worlds Apart“ aufs Neue. Mehr noch, es gelingt ihnen, ohne jede Bescheidenheit, unzählige Facetten des Rock, von der beatleesken,
harmonischen Melodieverspieltheit, zur pompösen Pink Floyd progressiv Orgie auszuloten, und sich jeglichem Etikettieren zu entziehen. Hat man die, wie Keely sagt, an Don Giovanni angelehnte, klassische, mit Kesselpauken, Streichern und Chor arrangierte Overtüre Ode To Isis verlassen, flüstern zwei Frauenstimmen „And you will know us, by the trail of dead“, und man wird im Anschluss von den ersten Takten des Openers Will You Smile Again umgehauen, ohne dass man
es tatsächlich kommen hörte. Wartet das Stück noch mit einem tosenden, instrumentalen Auftakt auf, in welchem sich Keelys Stimme gemeinsam mit rauchigen Jazztrompeten und Streichern schrittweise einreiht, scheint alles schlagartig zu verstummen, um, über dumpf polternde Drums, Keelys sarkastisch jugendlicher Stimme den nötigen Freiraum zur Entfaltung zu gewähren. Die Melodien finden langsam wieder zusammen, um in einem furios voluminösen Finale zu münden.

Sie seien von Bach inspiriert, erklären Trail Of Dead. Von Kate Bush, Jesus Christ Superstar und der Musik zu Conan der Barbar. Und wenn man Stücke betrachtet, wie das mit einem orchestralen Interludium gebrochene A Classic Arts Showcase, der instrumentalen Streicher und Pauken Komposition To Russia My Homeland, oder das pathetische, mit Musicalchor Versatzstücken arrangierte All White, ist man geneigt, trotz den mannigfaltigen Irrwegen und Mythen, welche sich um die Band ranken, ihnen beinahe zu glauben. Drei-, und Vierviertel Takt reichen sich die Hand, klassische Instrumente werden mit modernen Spielweisen gepaart, immer wieder besticht Keelys fulminanter Gesang - besonders in den Momenten, in denen er von hysterischer Leidenschaft getragen, kurz davor steht umzukippen, es aber niemals tut - und vermeintliche Punkattitüde vermengt sich mit gefühlsbetonten Pianoeinlagen.


„Rockmusik ist wehleidig geworden. Alle beklagen sich nur darüber, wie schlecht es ihnen geht, sind so scheinheilig – diese ganzen Musiker sind privilegierte, bestens versorgte Weiße.“, lamentiert Keely. „We’re so fucked these days / We don’t know who to hate or who to praise / And we consider this suffering and pain“, heißt es in dem Titelstück, ohne darauf zu verzichten, sich selbstironisch mit dieser Klage auseinanderzusetzen; „Who are you? Kurt Cobain?“, fragt eine Frauenstimme fast unmerklich an dieser Stelle, und setzt einen Bezug auf die Grunge Bewegung der Neunziger Jahre. Trail Of Dead wissen sich jedoch auch selbst als Referenzpunkt in ihrem zitatreichen Werk zu betrachten. So führen sie sich etwa, in dem ursprünglich mit dem Arbeitstitel Jesus Juice bedachten Stück The Best selbst auf; befasst sich der Song voller Bitterkeit, Empathie und einem Rest Mitleid dem Untergang des, bis zur Unkenntlichkeit verfallenen ehemaligen König des Pop, Michael Jackson, so mischt sich unter das finale Wehklagen einer Frauenstimme ein unterschwelliger Chorgesang, der die letzten Zeilen von „Worlds Apart“, teils polemisch grölend, teils bedeutungslos infantil zum besten gibt. „Blood and death, we will pay back the debt / For this Candy Store of ours.

Was ich heute am Musikmachen aufregend finde? Dass es bitter nötig ist, es besser zu machen als die anderen“, erklärt Keely. Und mit diesem imposanten Rockkonglomerat scheinen sie auf dem besten Weg zu sein, diesen, jeglicher Bescheidenheit trotzenden Ansatz für sich in Anspruch nehmen zu können. „And I know how the best will fall / And the rest will follow.
foto: chapman baehler


...and you will know us by the trail of dead
"worlds apart"
interscope 2005 cd
trail of dead