Hellsongs [Hymns In The Key Of 666]

Sie sind die Pioniere des "Lounge Metal" und ihr Band-Name mindestens so aberwitzig wie irreführend: Hellsongs. Auf ihrem Debütalbum mit dem nicht minder abstrusen Titel "Hymns In The Key Of 666" tauschen die drei Schweden E-Gitarren und Schlagzeug gegen Piano, Akustikgitarre und Tambourine ein - und unterziehen Heavy-Metal-Klassikern einer erfrischenden Zell-Kur.


"wir finden, dass der begriff ’lounge metal’ unsere musikalische synthese am besten charakterisiert."
(hellsongs)


Neu ist die Idee des frivolen Grenzgangs nun wirklich nicht: Nouvelle Vague packten vor nicht allzu langer Zeit 80er-Jahre-Klassiker ins Lounge-Gewand, Helge Schneider wagte sich einst gewohnt jazzig an Jimi Hendrix’ Hey Joe heran und Mambo Kurt interpretierte bereits vor zehn Jahren AC/DC-Hits auf seiner Heimorgel. Doch das schwedische Trio Hellsongs setzt dem ganzen nun die Krone auf. Allein schon das quietschbunte Cover erinnert eher an selige Hippie-Zeiten als an düsteren Metal. Legt man dann die Scheibe in den Player, ist man zumindest als Ahnungsloser erst mal vollkommen irritiert: Statt heftigen Heavy Metal bekommt der Hörer feinsten "Lounge Metal", wie die drei Göteborger ihre Musik treffend bezeichnen, serviert. „Heavy Metal Klassiker interpretiert als entrückte Folk-Nummern“, könnte man das ganze auch nennen, wäre dann aber nicht ganz so schön griffig formuliert wie mit dem eigens dafür gewählten Begriff der Schweden.

Eigenwillige Interpretation von Heavy-Metal-Klassikern.

Getreu dem Motto "Weniger ist mehr" kommt Iron Maidens Run To The Hills dann auch standesgemäß als lyrischer Folk-Song auf der Wandergitarre daher. Black Sabbaths Paranoid als schmachtende Piano-Ballade mit Streichern, Metallicas Blackened als Hippie-Folk-Nummer, Slayers Seasons In The Abyss als Klavier- und Streicherstück, was nur noch von AC/DCs psychedelischem Thunderstruck übetroffen wird. Einzig Megadeths Symphony Of Destruction verliert im Boogie-Woogie-Gewand an Klasse und will nicht so ganz zum Rest der ansonsten sehr gelungenen Folk-Platte passen. Von dem einen Aussetzer mal abgesehen, sind die zehn Songs durchgehend homogen arrangiert und funktionieren auch als Nicht-Cover-Versionen sehr gut. Will heißen, wer die Originale nicht kennt, wird sie auch nicht zwingend vermissen. Jedes Stück auf der Platte kann für sich allein stehen und versprüht individuellen Charme. Umgekehrt dürfte obgleich der eigenwilligen Interpretationen der Stücke zunächst große Verwunderung bei jenen vorherrschen, die die Stück im Original kennen, was sich dann aber schnell in Wohlgefallen auflösen sollte.

Im Jahr 2004, so besagt es die Legende, spielen Sängerin Harriet Ohlsson (die im Gegensatz zu ihren beiden musikalischen Mitstreitern keine Metal-Vergangenheit nach sich zieht, aber ganz gerne zu Highway to Hell die Wohnung fegt), Keyboarder Johann Bringhed und Gitarrist Kalle Karlsson irgendwo in der tiefsten schwedischen Provinz ihr erstes Konzert. Im Gepäck haben sie ausschließlich Heavy-Metal-Klassiker von Iron Maiden, Black Sabbath, Saxon, AC/DC und Metallica. Und jetzt kommt der Clou: Sämtliche Stücke wurden auf ihre melodische Grundstruktur reduziert und mit akustischer Gitarre, sanften Keyboards und Harriets glockenklarem Gesang vorgetragen. Man kann sich die verdutzten Gesichter ihres damaligen Landeier-Publikums bildhaft vorstellen. Von ungläubigem Staunen bis hin zu enthusiastischer Begeisterung soll dann auch alles dabei gewesen sein. Dieses erste Konzert ermutigte das Trio, ihr eigenwilliges Konzept fortzusetzen: „Wir sind alle Heavy-Metal-Fans. Unsere Herangehensweise an diese Songs ist sehr liebe- und respektvoll. Wir haben zwar einen gewissermaßen spielerischen Ansatz, aber wir nehmen die Songs sehr ernst und sind todernst, bei dem was wir tun“, so Karlsson. Auf jeden Fall wolle man vermeiden, dass ihre Musik als eine Art Ironisierung von Heavy Metal aufgefasst werden könnte. Das Gegenteil sei der Fall. Vielmehr sehe man in dem Album eine Art Huldigung der großartigen Songs dieser Zeit. Hunderte von Konzerten haben sie seither gegeben. Das größte Highlight sei dabei ein Auftritt mit den Göteburger Philharmonikern in der Göteburger Stadthalle gewesen. „Das war unglaublich“, schwärmt Harriet Ohlsson immer noch. „Wir waren sehr überrascht, wie aufgeschlossen und freundlich die klassischen Musiker auf unsere Musik reagiert haben. Sie waren überhaupt nicht egoistisch, wie man es so oft in der Popwelt findet.

„Hymns In The Key Of 666“ ist jetzt sicherlich kein musikalischer Meilenstein, der die Popwelt auf den Kopf stellen wird. Diesen Anspruch an sich selbst hat die Scheibe auch zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr ist die Zusammenstellung das, was Easy Listening auszeichnet: Gemütliche Chill-Out-Musik für die Party nach der Party. Und das ist auch gut so.
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hellsongs
"songs in the key of 666"
bodogmusic 2008 cd
hellsongs